Es wäre freilich zu wenig, es bei Kondolenzen zu belassen; derer wurden von weit bedeutenderen und bekannteren Personalien mit Breitenwirkung getätigt. Da derer in diesem Falle sowieso selbstverständlich sein sollten, belasse ich es auch dann damit und gehe in medias res.
Wie auch Theodred höre ich es nun erneut – wie nach Madrid, wie nach London, wie nach Paris (zweimal!) und jetzt Brüssel geisterhaft in den Ohren klingen: wir müssen uns daran gewöhnen. Wieso eigentlich? Weil – Sie wissen schon – das alles Wasser auf den Mühlen der Falschen sein könnte, weil es Rassismus schürt und natürlich: weil das wieder alles nichts mit dem Nichts zu tun hat, wie ich es bereits im Januar bezüglich Köln so äußerte.
Etwas orthographisch unsicherer klapperte das auch der selige Alternativenstorch, und bekam daher natürlich direkt einen mit dem Hammer vom Meinungskasper übergezogen, da man den Dreiklang von Rechtsextremismus, Rassismus und Islamfeindlichkeit sensibelsensorisch erkannt hatte und daher den Krokodilalarm auslöste. Kasper handeln affektiv, das ist und bleibt ihr Element. Sollte nun bald auch Zynismus „dunkeldeutsch“ werden, so dürfte der Löwe alsbald tatsächlich seine Auswanderungsideen früher als gedacht umsetzen.
Als Machiavellist gehöre ich ja zu den selten naiven politischen Geistern, die bisher immer dachten, die erste Pflicht des Staates sei der Staatserhalt selbst. In einer vollendeten Demokratie, in welcher alle Staatsgewalt vom Volk ausgeht, bedeutet dies idealiter: die Sicherheit des Souveräns, also des demos, also des Volkes zu schützen. Nun weiß ich zwar, dass wir mit Sicherheit nicht in der perfektesten Umsetzung dieses Staatsgedankens leben, aber allein verfassungsrechtlich glaube ich mich da auf nicht ganz unsicherem Terrain. Nur: was bedeutet noch Recht in solchen Zeiten, in denen die Exekutive, allen voran der Kanzler, mit postmodernen Notstandsedikten regiert?
In der Tat: die Partei, welche Merkels Mentalität am nächsten steht, sieht dann eben auch nicht das Wohl und Leben der Menschen als erste Pflicht an, sondern den Schutz vor bösen Menschen mit den falschen Ideen.* Schon interessant, dass die Politiker dieser Partei nicht müde werden, das Leben wildfremder Menschen mit allen möglichen Mitteln in Schutz zu nehmen, aber anscheinend den Tod anderer in Kauf nehmen, solange es ihre Ideologie nicht antastet. Man fragt sich schon, wie das zusammenpasst.
Um nicht allzu sehr in die grünmenschliche Gedankenwelt abzugleiten – ich bin zwar exzentrisch, aber nicht völlig bekloppt – nun ein kurzer Streifzug zur Medienlandschaft deutscherseits. Vorab: das Geschehen habe ich vornehmlich auf BBC verfolgt. Wenn deutsche Staatsjournalisten schon daran scheitern, über Geschehnisse auf der Kölner Domplatte zu berichten, wenn diese sich nur zwei Straßen weiter ereignen, können diese bei Brüsseler Ereignissen nur noch gänzlich überfordert sein…
Lassen wir die dunkeldeutsch-zynische Spitze beiseite und kommen zur nächsten. Neben dem angelsächsischen Feindsender bot es sich dennoch an, zumindest im Vergleich die deutsche Berichterstattung anzusehen. Schließlich muss man wissen, was die maasgeblich Beeinflussten serviert bekommen. Der Löwe muss dabei offen zugeben, sich nicht mehr erinnern zu können, ob dieser Bericht auf ARD oder n-tv kam; derlei spielt jedoch eine untergeordnete Rolle, spiegelt er doch das Bild und die Gedankenwelt der tonangebenden Elite in Deutschland wieder. Thema war das Viertel Molenbeek, das sich bereits seit den Pariser Anschlägen vom 13. November solch medialer Beliebtheit erfreute, dass nicht wenige Reporter seitdem gerne „live“ dabei waren, wenn irgendwo mal wieder Schüsse zu hören waren. Die Trennschärfe zwischen Sensationsjournalismus und Voyeurismus verlor dabei oftmals ihre letzte Substanz.
Tenor des Beitrags: Molenbeek. Sozialer Brennpunkt. Hohe Arbeitslosigkeit. Hohe Kriminalität. Keine Perspektive. Das übliche Gefasel aus der Kiste jenes Milieus, das oftmals selbst im Gründerzeithaus mit Fischgrätenparkett lebt, wie Stefan Willikes von der Zeit mal eingestand. Hinweis auf kulturelle und religiöse Identität? Ach was.
Auch in diversen Talkshows war und ist dies immer wieder zu hören. Der unausgesprochene Gedankengang: wenn diese Menschen alle in Arbeit und Lohn sind; wenn sie erst einmal dem Islam zugunsten unserer Konsumreligion abschwören; wenn sie statt Allah endlich Apple anbeten; wenn sie statt Schweinefleischverbot teure Lifestyleprodukte als Nahrungsdevise favorisieren; ja, dann wäre alles anders. Denn alleine Geld und Umwelt spielen eine Rolle.
Um keine Missverständnisse zu erzeugen: natürlich läge die Wahrscheinlichkeit eines islamistischen Terrorrisikos vermutlich auf einem niedrigerem Niveau. Anderseits war Terrorpate Osama bin Laden ja nun alles andere als ein armer Bettler aus Riad. Ganz im Gegenteil: seine Familie gehörte zu den reichsten des ganzen Landes. Die „sozialen Umstände“ sind also mithin womöglich wichtige, aber mit Sicherheit nicht die maßgeblichen Gründe, sich einer Terrororganisation anzuschließen – oder gar wie besagter Vater Al-Quaidas eine zu gründen.
Es hat also – welch häretischer Gedankengang – definitiv etwas mit dem Islam zu tun.
Die Mentalität der Schwäche jedoch, welche „den Westen“ (und hier ist dieser von mir so gehasste Ausdruck absolut treffsicher!) befallen hat, ist der Gedanke, jedes erdenkliche Problem der Welt mit Geld füllen zu können. It’s the economy, stupid! Die bestimmende Schicht, nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa ist beseelt (!) von dem Gedanken, dass Materie glücklich macht, die Erlösung bietet. Denn wenn auch immer jetzt die „europäischen Werte“ beschworen werden: welche sind es denn? Ich höre immer: Freiheit. Freiheit etwa, sich frei auf die Straße zu begeben, ohne in Stücke gerissen zu werden? Meinungsfreiheit in Zeiten des Dunkeldeutschtums? Freiheit der Presse in Zeiten des Unisono?
Hält nicht gerade diese EU, die jetzt im Herzen getroffen wurde (nicht Europa!) nur eine wirtschaftliche Komponente zusammen – und ist nicht auch das wieder typisch für diesen materialistischen Interessenverband, der eben deswegen so sehr bröckelt, weil es keine Idee, keine Werte, keine Identität gibt? Gerade der Tag von Brüssel macht es wieder deutlich, wie sehr die Politiker und Journalisten in ihren Wolken leben; wie sie Begriffe ohne Inhalt nutzen; wie sie jedweden Esprit vermissen lassen. Zu Studienzeiten hatte ich in der Politikwissenschaft eine Kommilitonin, die sich völlig auf die EU eingeschossen hatte, eben auch der Meinung war, dass die Europäische Integration nur über Wirtschaft gelänge; als ich damals konterte, dass die EU ohne Idee niemals ein Bund werden würde, hielt sie mir entgegen, man könne auf Ideen keine Staaten bauen. Dabei war gerade diese Fehleinschätzung, dass die Wirtschaft ein Gefüge zusammenhielte, Urgrund der Euro-Krise: eben weil historisch die Wirtschaft dem Staat folgte, nicht andersherum.
Schon Napoleon wusste: ein Soldat stirbt nicht für einen einsamen Sold. Venedig stand auf seinem Gründungsmythos als freie, ewige Republik, geschützt vom Evangelisten Markus. Das Heilige Römische Reich fußte auf der Romidee, auf dem Kaisertum, auf dessen christlicher Tradition; und das mit über einhundert verschiedenen Münzen. Das russische Zarenreich bzw. Kaiserreich nannte sich drittes Rom und lebte nicht von Zobelfellen allein.
Eben dieses ausgeleerte Europa, dieses graue Europa, dieses Europa der Gleichheit, das in seinem vollkommenem Relativismus Italos alptraumhaften Babel jeden Tag ähnlicher wird – ist schwach. Ich glaube nicht, dass die Führung der europäischen Nationen die Probleme verdrängt. Ich bin überzeugt, viele „glauben“ an die linksliberalen Versprechungen, dass es nur genügend Anstrengung, sozialer Integration und Wohlstand bedürfe, damit alle Menschen auf der Welt „gleich“ sind. Sie sehen nicht das Problem der geistigen Armut. Sie sehen nicht die Jugendlichen, die in ihrer Desorientierung wieder riechen und schmecken wollen, und sich deswegen einer „großen Idee“ anschließen. Gerade weil sie nach ihrer Identität suchen, werden sie „radikal“, sie gehen an die Wurzel, sie suchen nach dem „Reinen“ und „Unverfälschten“. In einer Welt der Gräue suchen die Menschen irgendwann instinktiv nach Schwarz und Weiß.
Das nicht zu erkennen, sondern immer noch von sozialen Brennpunkten zu schwafeln, und nicht einzusehen, dass in Syrien eine ganze Reihe deutscher Konvertiten unterwegs war, auf die all jene Zuschreibungen nicht zutreffen – das bleibt die Mentalität der Herrschenden, die ihre Völker damit Gefahren aussetzen. Solange der politische Feind als größere Bedrohung angesehen wird als der staatszerstörende, werden wir bangen müssen, dass es auch ein Wien, ein Rom und ein Berlin geben könnte.
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*Mittlerweile wurden eine Reihe von Tweets von den Verantwortlichen gelöscht. Ich habe das gesicherte Bild im Internet gefunden und kann bestätigen, das dies genau so dort stand.