„Ich habe mir über die Art meines Erzählens niemals Gedanken gemacht“

30. Januar 2021
Kategorie: Die Tagespost | Linkverweis | Philosophisches

Ist die vom Appell beschriebene „Cancel Culture“ historisch nicht auch eine Nachwehe ikonoklastischer Bewegungen, deren Keim man durchaus im Christentum findet, so in der byzantinischen Geschichte und im Calvinismus? Blanker Zufall, dass das von puritanischen „Pilgervätern“ gegründete Amerika ein Ausgangspunkt ist?

Alles Gute, aber selbstverständlich auch alles Böse, eben auch alle gemeingefährlichen politischen Ideologien haben ihre Wurzeln im Christentum, kein Wunder bei einer Religion, die so lange und so machtvoll das Denken der Menschen geprägt hat. Das Christentum ist von Anfang an von Häresien begleitet gewesen, und die politischen Ideologien sind nichts anderes als Häresien – ich bin davon überzeugt, dass eine künftige Kirchengeschichte die neueren politischen Ideologien als Häresien schildern wird.

Sie haben einmal geschrieben, dass wir Katholiken einem Land mit „langer Zeit der militanten Vorherrschaft protestantischer Kultur“ entstammen. Für den Geburtstag des protestantischen Reiches vor 150 Jahren, das diesen Zustand verfestigte, interessiert sich heute kaum jemand. Wie kommt das?

Ich vermute, das liegt auch daran, dass dies Reich vor allem ein Groß-Preußen gewesen ist. Westdeutschland wurde von Preußen unterworfen und musste mit seinem Reichtum die preußische Großmachtpolitik finanzieren. Speziell in den katholischen Ländern Deutschlands sind die antipreußischen Affekte bis zur Auflösung Preußens durch die Alliierten nie verstummt. Die Auflösung Preußens war jene notwendige Korrektur des Geburtsfehlers von Bismarcks Reich, die erst ein Gleichgewicht unter den deutschen Ländern möglich machte.

Wo lebt diese protestantische Kultur heute – vielleicht auch auf verworrenen Wegen – fort?

Sie wissen: Seit dem achtzehnten Jahrhundert hat sich der Protestantismus vor allem mit der Aufklärung amalgamiert und ist zu einer „entmythologisierten“ und säkularisierten Zivilreligion geworden, die heute die gesellschaftliche Mehrheit, gleich welcher Konfession, prägt. Auf Luther darf man das längst nicht mehr zurückführen, den hätte es bei der Forderung nach menschlicher Autonomie geschaudert.

Das ganze Interview bei der Tagespost.

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