In Deutschland schreitet die Böhmermannisierung voran. Beleidigung ist dann erlaubt, wenn sie das Label „Satire“ trägt. Die bekannteste Anekdote lieferte der TV-Moderator, als er den türkischen Präsidenten in Form eines „satirischen“ Gedichtes ehrte, das aus einer Aneinanderreihung von Beleidigungen niedrigsten Pennälerhumors bestand. Wenige Jahre zuvor hatte Deniz Yücel – der im Gegensatz zu Böhmermann das Verließ des Sultans kennenlernte – einen Text publiziert, der „den baldigen Abgang der Deutschen“ als „Völkersterben von seiner schönsten Seite“ bezeichnete. Yücel schrieb in der taz. Der Text war als Satire gemeint.
Neun Jahre später erschüttert eine Kolumnistin die Republik, weil sie dasselbe Genre bedient. Wieder ist es in der taz. Wieder ist es Satire. Polizisten sollten nach der Abwiegelung des Kapitalismus auf der Mülldeponie landen, „wo sie wirklich nur von Abfall umgeben sind“, denn unter „Ihresgleichen“ fühlten sie sich bestimmt „am wohlsten“. Die Sozialen Netzwerke liefen heiß, die taz sah sich zu einem Gegenartikel im eigenen Blatt genötigt, Journalisten und Politiker schalteten sich ein. Die Gewerkschaft der Polizei sprach von „Menschenverachtung“, Horst Seehofer drohte als Innenminister mit einer Anzeige. Sofort folgten beschwichtigende, ja, empörte Töne, weil die Satire keiner verstanden habe.