Prokofiev marschiert zur Cavatina mit Pavarotti

12. November 2018
Kategorie: Beethoven | Italianità und Deutschtum | Musik | Sergej Prokofiev

Länger ist es her, dass ich meine letzte Playliste durchforstet und sie hier veröffentlicht habe. Eine gute Tradition, die es wiederzubeleben gilt! Beginnen wir mit dem wohl zweifelhaftesten Geschenk, das der Militärmarschmusikgeschichte jemals gemacht wurde: Prokofievs Militärmarsch opus 99. Man mag sich über das Tempo beschweren, das deutlich schneller intendiert ist und von ehemaligen sowjetischen Militärgruppen weitaus authentischer aufgeführt wurde. Mir dagegen gefällt die Aufnahme von Claudio Abbado am besten, die ich seit 2007 besitze. Abbado kitzelt aus diesem lächerlichen Ensemble eines bestenfalls karikierten Marsch in einigen Ecken eine wunderbare Melancholie hervor, wie man sie sonst nur bei Romeo und Julia findet – womöglich, weil der Dirigent eben dieses Ballett in einem sehr ähnlichen Duktus aufführte.

Ähnlich umstritten könnte die nächste Auswahl sein. Mit Sicherheit gehört die Cavatina mit zu den letzten schönen Dingen, die uns der Bonner Meister vermacht hat. Beethoven soll selbst über diesen Satz des 13. Streichquartetts gesagt haben, dass es eines der wenigen seiner Werke sei, bei deren Betrachtung er selbst ergriffen werde. Das ist angesichts des Wusts an Melodien die Beethoven tagein und tagaus durchs Leben trug wohl eine der höchsten Auszeichnungen, die ein Mann seines Schlages einer Komposition überhaupt machen kann. Die hier vorgestellte Cavatina hat jedoch eine Besonderheit: kein Streichquartett, sondern die Berliner Philharmoniker unter Furtwängler spielen sie. Ein beeindruckendes Erlebnis. Alles, was Mahler hätte ausdrücken können, hat Beethoven längst in diesem Stück gesagt.

Das hohe C ist so eine Sache. Einige sehen es als Angeberei und einen überholten Wettbewerb an. Darum soll es hier aber nicht gehen. „Di quella pira“ ist vermutlich eine der italienischsten Arien, die man sich vorstellen kann: sie ist im wahrsten Sinne feurig, denn schließlich geht es um die lodernen Flammen eines Scheiterhaufens, von denen der Held Manrico erfährt. Auf dem soll nämlich seine Mutter verbrannt werden. Den zwischen Zorn, Empörung und Entschlossenheit wankenden Manrico bringt stimmlich kaum jemand so gut rüber wie Pavarotti in dieser Version.

Überflüssige Notiz am Rande: es gab Zeiten, in denen das Wissen um die italienische Oper noch so verbreitet in der Bevölkerung war, dass der Trovatore noch zur Allgemeinbildung gehörte. So verwendeten die italienischen Zeichentricklegenden Nino und Toni Pagot (u.a.: Calimero) eben dieses Stück in der Pilotfolge von „Grisù“, dem kleinen Drachen, der Feuerwehrmann werden will. Dem progressiven und umweltbewussten Vertreter des damaligen erwachenden ökologischen Bewusstseins steht der eigene Vater Fumé entgegen, eine Verkörperung des spießbürgerlichen Konservativen, der ganz klar sagt: ein Drache ist zum Feuerspeien da. In den 1970er Jahren war eine solche Ironie noch in Zeichentricksendungen möglich, da die Anspielung klar war – selige Zeiten!

Teilen

«
»