Deutsche Einheitskirche auf dem Katholikentag

10. Mai 2018
Kategorie: Alltägliche Gedankenstreifzüge | Freiheit | Ich bin Guelfe, ich kann nicht anders | Machiavelli | Medien

Heute ist Christi Himmelfahrt. Zugleich also auch jener Feiertag biersaufender Herrenvereine, die mit Bollerwagen aufs Land ziehen. Und zuletzt findet auch jener sog. „Katholikentag“ statt, der mit seinem Eventcharakter eher als Plattform der Amtskirche und der Politik dient als einer Rückbesinnung auf die Kernelemente katholischen Glaubens. Der Beitrag von Tobias Klein wurde dazumal verlinkt und bietet ein Überblick über jenes Sammelsurium kurioser Beiträge, auf die ich hier nicht näher eingehen möchte. Es sei aber die Beobachtung Kleins aus dem Jahr 2016 zitiert:

„Die Teilnehmerzahlen blieben insgesamt weit hinter den Erwartungen zurück, mit laut unterschiedlichen Angaben zwischen 30.000 und 40.000 Dauergästen war der Event nur unwesentlich größer als das Wave-Gothic-Treffen an Pfingsten am selben Ort. Besonders Veranstaltungen mit prominenten Politikern, hieß es, seien schwach besucht gewesen. Man wagt kaum zu hoffen, dass das die Veranstalter in Zukunft dazu veranlassen könnte, ihre Prioritäten zu überdenken. Ich kann schon gar nicht mehr zählen, wie viele meiner katholischen Social-Media-Bekannten genau deshalb nicht zum Katholikentag gefahren sind, weil sie keine Lust auf einen „schwarz-rot-grünen Einheitsparteitag“ hatten.“

Der Katholikentag ist demnach wieder eines der Schaustücke, bei denen die Elite zeigt, wie sehr sie sich von den gewöhnlichen Erdenbewohnern entfremdet hat. Neben Abgehobenheit mischte sich auch ein deutliches Sendungsbewusstsein hinzu, wie wir es sonst nur von gewissen Medienkreisen kennen. Wie oben schon vorweggenommen: das Publikum entspricht demnach den Vorstellungen der Veranstalter, nicht die Veranstaltung dem Publikum.

Und da dort wirklich niemand etwas gelernt hat, trumpft das Programm mit Bundespräsident Steinmeier auf. Der redet über alles Mögliche: über den Iran, über Trump, über eine Eskalation im Mittleren Osten. Im Folgenden nutze ich die Tagespost als Quelle.

„Der Geist des Abkommens, nämlich die Spirale der Eskalation durch den Weg der Verhandlung und der verbindlichen Vereinbarung zu durchbrechen, ist mehr Konfrontation und mehr Unberechenbarkeit in dieser ohnehin so spannungsgeladenen Region gewichen“, sagte Steinmeier am Mittwochabend bei der Eröffnung des 101. Deutschen Katholikentags in Münster. Ein langfristiger Friede im Mittleren Osten sei mit der Entscheidung des amerikanischen Präsidenten „nicht wahrscheinlicher geworden“.

Was hat das nun mit dem Katholikentag zu tun – abgesehen davon, dass manche liberalkatholischen Messen heute mit ähnlichen politischen Predigten und Fürbitten glänzen, und manch Zelebrierender lieber Generalsekretär oder Parlamentarier geworden wäre, statt die dröge Eucharistie zu halten? Man kann jetzt argumentieren: Frieden ist wichtig, wir müssen uns für Frieden aussprechen, weil Frieden ein christlicher Wert ist. Das setzt allerdings voraus, dass Vermittlung allein der einzige Weg zum Frieden ist. Dass Appeasement-Politik nicht gleichbedeutend mit Friedenspolitik sein muss, dass es auch einen falschen Frieden geben kann, und im Grunde es auch fraglich bleibt, ob der christliche Frieden immer auch dem außenpolitischen Frieden entspricht, muss hier hoffentlich nicht erwähnt werden.

Was bleibt: der Eindruck, dass der Grüßaugust der Nation eigentlich keine wirkliche Lust auf sein Amt hat. Steinmeier hat vom ersten Tag keinen Zweifel daran gelassen und wähnt sich immer noch in der staatstragenden Rolle des Außenministers, obwohl sein jetziges Amt damit nur wenig zu tun hat. Steinmeier rundet seine mangelnde Qualifikation als Landesvater ab, indem er innenpolitisch gegen die CSU schießt:

„Christliche Symbole wie das Kreuz sind in unserem Land im öffentlichen Raum vielfach selbstverständlich. Aber wir wissen auch: Was sonntags in den Gottesdiensten fehlt, kann das Kreuz im Behördeneingang nicht füllen.“

Es ist aber auch nicht so, als ob ein Kreuz in einem Behördeneingang dem Christentum abträglich ist. Dass Söders Kampagne Wahlkampf ist: geschenkt. Dass das Kreuz mehr ist als nur Kultur: ebenfalls geschenkt. Man kann als Christ die Motivation kritisieren, warum in bayrischen Institutionen ein Kruzifix zum Standard wird; es ist aber bedeutend schwieriger für einen Christen zu argumentieren, warum es nicht dort hängen sollte. Der Liberalchristdemokrat im Wohlfühlwatteschaum kann natürlich etwas von der Trennung von Staat und Kirche faseln, allein, das Kreuz ist in seiner Dimension so groß für den Glauben, dass er in diesem Moment den Staat vor die eigene Überzeugung stellt. Kann man natürlich machen – man ist dann aber eben nicht prioritär Christ, sondern erst einmal Liberaler oder Demokrat.

Das Kreuz ist als Zeichen der Vergebung der Sünden der Welt, zugleich als Hinweis auf die baldige Auferstehung so gigantisch, dass es immer für sich selbst steht. Wer also wirklich an das glaubt, was im Glaubensbekenntnis steht, muss über jedes Mehr-Kreuz in der Öffentlichkeit froh sein. Meiner Ansicht nach kann ein Kreuz demnach auch niemals missbraucht oder instrumentalisiert werden, weil es in seiner Wirkmächtigkeit absolut für sich selbst steht. Um es kurz zu sagen: selbst wenn der Teufel per Erlass überall in Europa verordnete, dass man gigantische Kruzifixe auf jedem Marktplatz aufstellen möge, so täte er doch am Ende das Werk Gottes, obwohl es völlig unbeabsichtigt ist. Insofern ist Söder höchstens eine Mephisto-Figur, das tangiert aber (Kreuz)Gretchens Rettung nicht.

Zugleich sei die in der Verfassung verankerte Trennung von Kirche und Staat eine der „segensreichsten und friedensstiftenden historischen Errungenschaften“. Steinmeier betonte: „Der Staat hat die Religion nicht zu bevormunden, er hat sie aber auch nicht in Dienst zu nehmen, er darf sie nicht zum Instrument von Politik machen.“

Merken Sie sich diese Zeilen: Trennung von Kirche und Staat. Nicht, dass ein gewisser Dom bei gewissen politischen Veranstaltungen verdunkelt würde, oder der Domdechant dazu aufrief, sich vor braunen Rattenfängern zu hüten; natürlich gibt es auch keine Prediger, die unseren Staatsfunk loben, in dem diese selbst ein paar Plätze für sich beanspruchen; und natürlich ist so ein Konzept wie die Kirchensteuer die normalste Angelegenheit der Welt. Nein, mag man einwerfen – vielleicht nicht die Religion, aber so mancher Amtsträger macht sich sehr gerne zum Werkzeug der Politik, ohne Druck und durchaus willfährig. Das gilt für die katholische wie die protestantische Seite.

Und dennoch: es wäre ungerecht, nur die eine Satzhälfte zu kritisieren. Sie erinnern sich: der Staat hat die Religion nicht zu bevormunden …

Mit Blick auf den Streit unter den deutschen Bischöfen über den Kommunionempfang für nichtkatholische Ehepartner appellierte Steinmeier „nicht als Bundespräsident, sondern als bekennender evangelischer Christ, der in einer konfessionsverschiedenen Ehe lebt“, an die Kirchenoberhäupter: „Ich bitte um die Offenheit für weiteres ökumenisches Zusammenwachsen.“ Für den Katholikentag wünsche er sich: „Lassen Sie uns Wege suchen, den gemeinsamen christlichen Glauben auch durch gemeinsame Teilnahme an Abendmahl und Kommunion zum Ausdruck zu bringen.“ Er sei sich sicher: „Abertausende Christen in konfessionsverschiedenen Ehen hoffen darauf.“

Natürlich ist das keine Bevormundung. Aber so, wie sich Marx oder Woelki in den politischen Diskurs immerzu einmischen, tut es auch Steinmeier an diesem Punkt.* Ähnlich wie Merkel, die Benedikt XVI. zu maßregeln versuchte. Fast vergessen ist dagegen die Rede von Ex-Bundespräsident Wulff, der in eine ähnliche Bresche schlug, wie es Steinmeier hier tut. Wulff hatte seine Scheidung und seinen Ausschluss von der Kommunion thematisiert. Den einstigen und den aktuellen Präsidenten eint, dass sie sich in die katholische Lehre einmischen. Wir warten auf den Tag, an dem ein deutsches Staatsoberhaupt den Inhalt des Korans in Gegenwart eines Ayatollah kritisiert.

Steinmeiers Botschaft ist: stellt euch mal nicht so an. Ändert eben eure Lehre, damit ich mit meiner Frau die Kommunion empfangen kann. Steinmeier lässt dabei außer Acht, dass es eine einfache Lösung für sein Problem gibt: nämlich die eigene Konversion zum Katholizismus (anscheinend scheint er ja die Kommunion sowieso für interessanter zu halten, wenn er es ohne diese nicht aushält). Als Nicht-Muslim kann man nicht erwarten, Mekka betreten zu dürfen; dass für Katholiken die Eucharistie nicht nur vom Namen her vom Abendmahl der Protestanten verschieden ist, dürfte sich herumgesprochen haben. Die Interkommunion könnte zudem zum Paradoxon führen, dass gläubige Katholiken, die sich gegen die Kirchensteuer wehren, keine Kommunion erhalten, Protestanten hingegen, die nach katholischer Ansicht nicht der Kirche angehören, eben dieser Zugang gewährt wird.

Eine unitarische, deutsche Kirchensteuergemeinde erscheint komfortabler als ein wirkliches Verständnis dafür, was die Kirche ist. Wenn Katholiken und Protestanten wüssten, warum sie das Mahl getrennt einnehmen, müsste sich jeder gegen den Vorstoß wehren. In Zeiten des Relativismus, in denen Glaubensinhalte jedoch egal sind, wenn das „Zeichen“ (oder auch: der Hedonismus) stimmt, ist alles möglich. Dass der Bundespräsident die Veranstaltung mit einer im Grunde unverschämten Rede krönte, war demnach wohl zwangsläufig.

PS: Die Löwin merkte derweil im Hintergrund etwas ungemütlich an, warum ein Protestant überhaupt das Recht habe, die Leute auf einem Katholikentag zu belästigen.

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*Und nein, die Behauptung, er spräche hier nicht als Bundespräsident, ist völlig irrelevant. Der Mann steht auf einem Podium und spricht auf einer öffentlichen Veranstaltung in seiner Funktion als Staasoberhaupt und plaudert nicht etwa am Kaminfeuer privat mit einem Duzfreund. Natürlich sagt er das als Bundespräsident!

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