Die vergessene Passage auf dem Läuterungsberg

4. April 2018
Kategorie: Alltägliche Gedankenstreifzüge | Dante | Europa | Ich bin Guelfe, ich kann nicht anders | Ironie | Medien | Mittelalter | Persönliches

Ich bin überzeugt, dass Dante eine ganz bestimmte Episode im Purgatorio ausgelassen hat. Warum diese Stelle fehlt, ist ganz offensichtlich: denn zu Dantes Zeiten spielte das Vergehen noch keine Rolle, war es doch im Zeitalter der res publica christiana eine Schelmerei, dergleichen zu behaupten, was heute dutzende Zeitungsartikel füllt.

Nun denn: auf dem Läuterungsberg gibt es eine ganz besondere Strapaze für Abendlandleugner. Sie müssen den gesamten Berg hoch und mit allen Geistesgrößen der europäischen Geschichte sprechen. Immer wieder wird ihnen vorgehalten, wie dumm sie seien. Doch damit ist es nicht getan: dabei schleppen sie auf dem Rücken alle je geschriebenen Zeitungsartikel, die behaupten, es hätte nie eine kulturelle europäische Idee, ein Abendland, ein christliches Erbe oder sonstwie geartetes Bewusstsein einer verbundenen westlichen Christenheit gegeben.

Jeder der Männer und Frauen aus der europäischen Geschichte darf diese Leute verspotten und verlachen und auf eine ganz besondere Art und Weise erniedrigen. Thomas von Aquin führt solange logische Schlussfolgerungen aus, bis dem Betroffenen das Gehirn zu zerfließen droht. Jeanne d’Arc kämpft den Törichten in voller Rüstung nieder. Beethoven, Mozart und Brahms spielen so lange Musik, bis dem Sünder die Reuetränen bis auf den Grund des Ozeans niederrinnen. Zuletzt stimmt Homer seine Verse an und jeder muss sie genau rezitieren und zuletzt dem Vergil zur Prüfung vorsagen; jeder falsche Vers verlängert die Strafe um 1.000 Jahre.

Dante hat demnach die Passage noch aus einem zweiten Grund verschwiegen: die Läuterung der Abendlandleugner überstieg manche Höllenstrafe derart, dass sie selbst dem Erfinder des Inferno zu schrecklich erschien.

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