Diesen Sonntag ist die Sammlung etwas dicker geraten. Aber vielleicht haben Sie ja auch an Allerheiligen etwas Zeit übrig, um einen Blick in die folgenden Artikel zu werfen; wirklich nicht einfach, dieses Mal nur die besseren zu küren.
Wir beginnen mit der NZZ und einem Artikel von Barbara Höfler. „Bitte nicht schütteln“ räumt mit einer fadenscheinigen politischen Korrektheit auf, welche die Empörung der Empörung willen feiert, und damit jeden Diskurs zum Drahtseilakt macht. Harte Argumente haben keinen Platz mehr. Hyperysensibilisierung greift um sich. Nicht mehr um die Sache, sondern die Gesinnung geht es. Der Safe space lässt grüßen.
Ebenso in der NZZ findet sich ein schöner Artikel über den Paten der deutschen Libertären. Roland Baader, der „Freiheitsfundamentalist“, fehlt heute mehr denn je. «Die schlimmsten Feinde der Freiheit sind nicht ihre erklärten Gegner, sondern die vielen Lauen und Laschen unter ihren angeblichen Freunden.» René Scheuer widmet ihm einen – längst überfälligen – Artikel: Wo ist der Kapitalismus hin?
Wir bleiben in der Schweiz. Wohl nur dort könnte dieser kritische Artikel über Hillary Clinton erscheinen, die immer als das geringere Übel gehandelt wird. Nach einer Lektüre dieses Textes könnten Ihnen mulmige Gefühle kommen, wenn nächste Woche Dienstag in den USA gewählt wird. Günter Meyer seziert Clintons außenpolitische Strategien und konkretisiert: «Das führt an die Schwelle des dritten Weltkriegs».
Gute alte Zeiten, mag man da denken. Gut, das 19. Jahrhundert war vielleicht nicht weniger kriegslastig, aber zumindest gab es damals noch mehr Understatement, Kongresse und keine komplette Vernichtung des Gegners mitsamt bedingungsloser Kapitulation. War vielleicht die höhere Intelligenz der Viktorianer dafür verantwortlich? Der Telegraph jedenfalls schreibt das. Die Briten des alten Empire hatten eine schnellere Reaktionszeit als die heutigen Menschen. Das allein erscheint vielleicht nicht überzeugend, ist jedoch ein interessantes Detail, was zumindest der Prüfung wert wäre, wenn wir immer wieder denken, schlauer zu sein als unsere Vorfahren.
Ich werde hier nicht für den Cicero werben, dennoch ein kleiner Hinweis zur Novemberausgabe: dort findet sich ein Artikel von David Engels, dem belgischen Historiker, der mit seinem Buch „Auf dem Weg ins Imperium“ eine mögliche Umformung der EU oder Europas zu einem autoritären und eher reaktionären System prognostiziert; als Vorbild nennt er die Umformung der Römischen Republik zum Römischen Imperium. Das Buch habe ich mit Interesse gelesen, bin jedoch bis heute der Meinung, dass Engels mit seinen Szenarien zu optimistisch ist. Auf der Onlineausgabe des Magazins findet sich eine kurze Zusammenfassung (Abendland im Abendrot); ich sehe mich jedenfalls gezwungen, diesen Monat reinzuschauen.
Wenn wir schon beim Abendland sind: kürzlich machte eine Gruppe aus Stipendiaten und Altstipendiaten der Konrad-Adenauer-Stiftung von sich reden, da sie in der letzten Woche die Politik der derzeitigen Bundeskanzlerin scharf attackierten. Die These: Merkels EU-, Euro- und Außenpolitik ist nicht mit dem Vermächtnis Adenauers vereinbar. In mehreren Thesen lesen sie Kohls Mädchen die adenauer’schen Leviten. Bei David Berger können Sie den Facebookbeitrag nachlesen: Eine der Kerntruppen der CDU rechnet mit Merkel ab.
Sagte ich gerade Thesen? Morgen, am 31. Oktober, feiern die Protestanten Reformationstag. Aber gerade der Thesenschlag ist unter Historikern umstritten, inwiefern es sich überhaupt um ein historisches Ereignis handelt. Dies ist aber nicht genug: Geschichtswissenschaftler jedweder Coleur sehen in der Gedenkveranstaltung ein bloßes Feiern des Feierns willen, bei denen historische Darstellung und Faktizität unter dem Medienrummel und staatlichen Interessen leidet. Auch Ex-Verfassungsrichter Udo di Fabio ärgert sich in seiner Form als Vertreter des Jubiläums – und als Katholik. Schließlich war die ganze Sache mehr als nur ein dicker Hammer.
Zu Luther selbst wird der Löwe morgen etwas knurren. Keine Sorge, erwarten Sie kein Luther-bashing der katholischen Schule; eher eines der historischen.
Damit sind wir – das haben Sie natürlich bemerkt – im Kulturteil angelangt. Die Hethiter sind ja eines der eher vernachlässigten historischen Völker. Die türkische Regierung will das Image der anatolischen Hochkultur fördern und einen „Live theme park“ errichten. O-Ton des Gouverneurs:
„We aim to make people experience how the Hittites lived 3,500 years ago. Thus, we plan to build a village recreating the period that will host tourists. The plan is to build homes with stone floors and a yard, a city center where people enter through a gate decorated with lion statues, various shops, and the crown room of the Hittite kings, a Hittite prison, a bakery and a metal workshop.“
Na dann. Knossos auf Türkisch.
Hattusa, die Hauptstadt der Hethiter ist übrigens UNESCO-Weltkulturerbe. Weltkulturerbe… war da nicht etwas? Hm, scheine ich vergessen zu haben. Irgendetwas mit Jerusalem und nicht-existenter Geschichte. Unglücklich nur, dass just in dieser Woche hebräische Fragmente aus dem 8. vorchristlichen Jahrhundert auftauchen, welche genau diese Stadt erwähnen. Vermutlich eine zionistische Fälschung! Leider ist der Artikel dazu nur auf Spanisch.
Zuletzt, das Fundstück: Christen feiern in einer ausgebrannten Kirche von Mosul ihren Gottesdienst: