Im besten Sinne sprachlos war ich, als ich davon erfuhr. Daher auch kaum Worte. Nun, da etwas Zeit vergangen ist, gehe ich genauer darauf ein. Den Beitrag schrieb ich auch für Kathstern, da mir die Sache am Herzen liegt.
Denn Santa Prassede ist nicht irgendeine Kirche. In Reichweite der Papstbasilika Santa Maria Maggiore steht dieses alte Gotteshaus, dessen Ursprünge bis in die Zeiten der ersten Christen Roms zurückreichen. Einer Legende zufolge war es die Familie der Heiligen Praxedes selbst, die hier ein Gotteshaus stiftete. Es sind dies die symbolischen Anfänge des Christentums im Abendland; Praxedes lebte laut Tradition im 1. Jahrhundert, ihre Eltern waren die ersten Römer, die sich zum Glauben an Jesus Christus bekannten. Die Heilige Praxedes lebte noch zu Zeiten der Christenverfolgungen, und soll sich um die Gräber der Märtyrer gekümmert haben.
Der erste nachweisbare Bau stammt hingegen aus der Spätantike, als das Christentum von einer verfolgten Minderheitenreligion zur Staatsreligion des Römischen Imperiums aufstieg. Papst Siricius, der Santa Prassede weihte, lebte Ende des 4. Jahrhunderts und war ein Zeitgenosse von Kaiser Theodosius. Ihr heutiges Aussehen entstammt einer Epoche, die als weitere Wegmarke der Symbiose von Christentum und Antike angesehen werden kann, die zu jener kulturellen Entität führte, die wir heute als Abendland kennen: es war Papst Hadrian I., der die Kirche erweitern und prächtig dekorieren ließ. Jener Papst Hadrian, der vom Langobardenkönig Desiderius bedrängt wurde, und den Frankenkönig Karl den Großen nach Italien rief. Nach dem Sieg der Franken über die Langobarden erweiterte Hadrian das Territorium des Kirchenstaates und band das fränkische Königtum mit dem Papsttum. Sein Nachfolger Leo III. sollte Karl zum Kaiser krönen.
Papst Hadrian ist aber auch deswegen bedeutend, weil er als Gegner des um sich greifenden Ikonoklasmus im Byzantinischen Reich gerade in Santa Prassede ein Exempel statuierte. Die Kirche ist ein Juwel frühmittelalterlicher Mosaike in byzantinischem Stil, die Christus im Beisein von Petrus, Paulus und Praxedes verherrlichen. In der Karolingischen Renaissance galt Santa Prassede als eine der wichtigsten Wallfahrtsorte Roms, die von Papst Paschalis (817-824) reichhaltig mit Reliquien beschenkt wurde. Neben Märtyrerknochen galten Stücke des Kreuzes und die Säule, an der Jesus gegeißelt wurde, als Hauptattraktion des mittelalterlichen Pilgerprogramms. Mehrere Päpste fanden hier ihre letzte Ruhestätte; und als Titelkirche stellte sie immer wieder Kardinäle, die später als Päpste regierten.
Erst, wer diesen Hintergrund kennt, kann völlig ermessen, was am 30. September tatsächlich in der Ewigen Stadt geschah. Zielstrebig betrat an diesem Tag ein 39jähriger Ghanaer das Gotteshaus. Er stößt den Heiligen Antonius, den Lieblingsheiligen der Italiener, von seinem Podest und zertrümmert diesen. Kreuz und Kandelaber wirft er vom Altar, fasst nach einem und beschädigt eine Nischenfigur. Das Kreuz würdigt er zum Knüppel herab. Zuletzt zerstört er die Statue der Heiligen Praxedes, der Schutzpatronin dieser Mauern, die in Staub und Einzelteile zerbricht. Nur der Rumpf bleibt übrig.
Die Tat geschieht nur wenige Minuten nach der Messe. Priester Pedro Savelli wartete mit seiner Gemeinde auf eine Konzertveranstaltung. Einige Kirchenbesucher brechen in Panik aus, flüchten, schreien, suchen nach dem Ausgang. Man glaubt an einen Extremisten des IS, fürchtet, dass der Afrikaner bewaffnet sein könnte. Savelli äußert später im Interview mit dem Messagero, er hätte einen terroristischen Anschlag vermutet. Als die Polizei endlich eintrifft, flieht der Täter. Die Gläubigen und der Priester bleiben mit dem Schock zurück.
Noch in derselben Nacht vergreift sich der Migrant erneut an Kirchengut. In San Martino ai Monti setzt er sein Zerstörungswerk fort. Am nächsten Tag folgen San Giovanni dei Fiorentini (Piazza dell’Orto) und San Vitale in der Via Nazionale. Hier fallen ihm unwiederbringliche Figuren aus dem Barock zum Opfer. Erst danach kann der Vandale von der Polizei gefasst werden. Nicht zuletzt, weil sich der Mann bei seiner letzten Aktion am Fuß verletzt hatte, und vor seinem Gefängnisaufenthalt ins Krankenhaus eingewiesen werden muss.
Die Reaktion in den Medien? Verhalten. Der Mann hatte „psychische Probleme“. Nicht, dass wir derartige Deutungsmuster auch nördlich der Alpen kennen würden. Dabei war Don Savelli selbst Zeuge, dass der Täter in Santa Prassede geschrien hätte, dass die „Bilder nicht in Ordnung gingen“. Der Ikonoklasmus, als dessen Gegenbild Papst Hadrian Santa Prassede schuf, bricht sich im Herzen des Katholizismus Bahn. Und unter der Voraussetzung, dass es sich nicht um einen fundamentalistischen Protestanten handelte, kommt dabei insbesondere eine Religion infrage, deren Name natürlich tunlichst vermieden wird. Auch das ein Grund, warum das aufsehenerregende Attentat auf einen der historisch bedeutendsten Orte des mittelalterlichen Rom keinerlei Erwähnung in den deutschen Medien wert ist. Bis auf einige Blogs musste man nach dieser Information vergeblich suchen, die in Italien wenigstens von den Onlineseiten des Corriere della Sera, des Messagero u. a. berichtet wurde. Zu den wenigen deutschen Blogs gehörte auch jener von David Berger, auf dem der Verdacht ziemlich klar ausgesprochen wird: die Zerstörung von „Götzenbildern“ hat im Islam eine lange Tradition, und der IS stellt seit geraume Propagandavideos ins Netz, die diese anweisen. Auch der historische Ikonoklasmus in Byzanz war nicht zuletzt eine Rezeption der neuen Religion Islam, der als einer seiner ersten Akte die Bilderstürmerei in Mekka und das „Stürzen der Götzen“ zu einer seiner heiligsten Aufgaben gemacht hatte.
Und es handelt sich mitnichten um eine Erscheinung der letzten Tage. Denn provokativ gefragt: was war denn die Zerstörung der berühmten Buddha-Statuen in Afghanistan anderes, als ein Propagandacoup radikaler Islamisten? Was geschieht denn jeden Tag im Nahen Osten anderes, als die Schändung und Zerstörung christlichen Weltkulturerbes? Und sollte nicht spätestens die Geiselnahme und barbarische Enthauptung eines katholischen Priesters – mitten in Europa! – so langsam die Leute wachrütteln, dass Christen und ihr Besitz als Freiwild und Beutegut angesehen werden? Nicht mehr nur in Afrika oder im Orient, sondern auch hier, mitten in der Keimzelle der katholischen Christenheit?
Wer jetzt mit „Einzelfällen“ kommt – derer gäbe es noch viele aufzuzählen. So die Zerstörung einer Marienfigur auf offener Straße in Perugia, auf das die muslimischen Angreifer nach der Tat urinierten. Dies geschah im Januar 2015; ebenfalls im Januar 2015, genauer gesagt an Neujahr, randalierte ein Muslim in der Kirche von Cles, nahe von Trient. Der 69jährige Brij Salah „verprügelte“ eine Madonnenstatue und beschädigte den Altar, indem er mit einem Kandelaber darauf einschlug. Salah, der „kein Moscheegänger war“, wie die Medien behaupteten, rief dabei „Allah akbar“, zitierte Koransuren und forderte den Kopf des Vatikans. „Die katholische Religion ist falsch!“, hallte es durch jenes Kirchenschiff, wo noch wenige Minuten zuvor die Neujahrsmesse stattgefunden hatte. Im Juli 2016 vergriff sich Salahs marokkanischer Landsmann Kakman Naib an einem Jesuskreuz aus dem 18. Jahrhundert in der venezianischen Kirche von San Geremia und stürzte dieses um; auch er begründete die Attacke damit, dass die Verehrung „falsch“ sei.
Die Reaktion von Experten, Journalisten, und sogar Kirchenvertretern: Maria sei eine wichtige Figur im Islam. Die Attentäter seien allesamt verwirrt, oder keine echten Muslime – obwohl sie nichts anderes tun als das, was der Islam seit dem Götzensturm von Mekka tut, und auch noch in der Hagia Sophia von Konstantinopel getan hat. Eine völlige Ausblendung von Kultur, Geschichte und Mentalität führt dazu, dass ein Brandanschlag ungeklärter Herkunft auf eine Moschee ein größeres Medienecho und den Schreckensschrei „Islamophobie!“ hervorruft, indessen die weitläufige Schändung von christlichen Gotteshäusern in ganz Europa – auch Deutschland – nicht eine Notiz wert ist, oder die Frage nach sich zieht, ob es unter Muslimen auch eine Art der „Christophobie“ geben könnte. Niemand der Medienschaffenden scheint sich einmal damit zu beschäftigen, was christliche (!) Flüchtlinge aus ihrer Heimat erzählen.
Während nämlich jedes Vergehen an muslimischen Gotteshäusern fast immerzu sofort in den Verdacht von Rassismus, Islamophobie, Rechtspopulismus oder Neo-Nazismus gerät, werden Attentate auf christliche Einrichtungen entweder auf „Geistesgestörte“, „Vandalen“, „Jugendliche unter Drogen“ oder Unbekannte zurückgeführt. Kleinere Kirchen oder Dorfkapellen verfügen – anders als Santa Prassede – über keine Videoüberwachung. Die Überführung der Täter fällt schwer. Im Herbst 2016 wurden sowohl im lombardischen Grandate bei Como, als auch im sizilianischen Messina Kirchen geschändet, bei denen Madonnenfiguren auf eine sehr ähnliche Weise verstümmelt wurden. Auch hier spekuliert man lieber über Jugendliche oder gar satanische Sekten. In der Tat, erst am 25. Oktober waren es zwei jugendliche Räuber, die in Presicce bei Lecce die Gemeindekollekte einer Kirche plünderten; ähnlich die Vorfälle in der Kirchenprovinz Imperia-Albenga, in der Diebe Statuen und Kerzenständer stahlen. Doch die genannten Vorfälle zeigen keinerlei Interesse an Beute, sondern vielmehr an Zerstörung. Das sizilianische Scicli bei Ragusa wurde sogar mehrfach Opfer von Überfällen (zuletzt am 21. Oktober), bei der zuletzt eine Christusfigur aus der Renaissance verstümmelt wurde. Das Werk von Dieben, die es auf Antiquitäten abgesehen haben, sieht anders aus.
Santa Prassede ist damit ein neuerliches Symbol. Das Gemäuer entstand in den Zeiten der Christenverfolgungen, verkörpert zuletzt den Triumph des Christentums über das Heidentum, und die Abwendung von der Bilderstürmerei. Gerade damit ist aber die Schändung Santa Prassedes in dieser Dimension auch ein Zeichen, das Geschichte nicht linear verläuft, sondern sich wiederholt; und zwar in einer tragischen Zeit, da Europa sich um seine eigene Geschichte, seine eigenen Wurzeln und seine eigene Religion nicht zu kümmern scheint. Wichtiger sind die richtige Haltung, die richtige Gesinnung, in der es Journalisten für nötig halten, ihre Leser und Zuschauer nicht zu verschrecken, indem Nationalitäten und Religion ausgeblendet werden. Hass bleibt ein Phänomen, das die „Anderen“ gepachtet haben. Die Gleichgültigkeit des Westens gegen sein ureigenstes Erbe ist himmelschreiend, ist aber auf dem Altar der politisch-korrekten Ideale nur ein kleines Opfer, um sich in der eigenen Wohlfühlblase selbst zu bestätigen. Konsequenzen? Wasser auf den Mühlen der Falschen!
Wer schon die Geschichte des Islams ausblendet, hat kein Problem damit, auch seine eigene auszublenden. Womöglich ist Europa deswegen verdammt, wieder in die Zeiten zurückzukehren, die vor der Erbauung Santa Prassedes galten. Für das Christentum keine schönen Aussichten.