Statt Sonntagsschau: Püttmannschau

31. Juli 2016
Kategorie: Alltägliche Gedankenstreifzüge | Freiheit | Ich bin Guelfe, ich kann nicht anders | Machiavelli | Medien | Persönliches

Dass ich mit der „Liga der Gerechten“ nicht so ganz klarkomme, dürfte bereits bekannt sein. Insbesondere, da ich bereits mehrfach exerzierte, dass gerade jene, die vorgeben, das Totalitäre und Autoritäre zu bekämpfen, dies im Grunde mit eben jenen Mitteln tun. Wer immer verlautbart, im Namen des Guten zu streiten, gibt damit bekannt, das Gute zu kennen, und es im Zweifelsfall anderen aufzustülpen. Wie der Mensch in seinem Wahn irrt, hat Schiller für die Nachwelt ver- und gedichtet.

Andreas Püttmann, ein nicht ganz unwichtiges Gesicht des katholischen Journalismus, war mir bereits mehrfach negativ aufgefallen, nicht nur im Zusammenhang der Geisterjagd auf dem Feldzug des Bednarzißmus. Nun habe ich prinzipiell einen Grundrespekt gegenüber Kollegen aus derselben Zunft – Püttmann hat Politikwissenschaften und Geschichtswissenschaften studiert, zudem auch noch an derselben Universität wie ich – wage aber zu behaupten, dass gerade Leute aus eben jenem Kreis zu differenzieren wissen sollten, statt mit dem Presslufthammer der Totschlagworte in die Schwarzweißbilder des Manichäertums hineinzubohren.

Nun denn: welches Verbrechen hat der Löwe begangen? Er zitierte einen Tweet von Herrn Püttmann auf dem 140-Zeichen Medium:

Für jene, denen das Lesen des Stranges im unteren Twitterverweis schwerfällt, zitiere ich im Folgenden die Transkription kursiv versetzt.

Hinsichtlich des Brexit beziehe ich mich dabei auf eine ganze Reihe von Äußerungen.
Natürlich ist Meinungsfreiheit bezüglich etwaiger Wahlausgänge erlaubt. Was jedoch meiner Ansicht nach kritikwürdig ist: wie Augstein gewissermaßen die Wähler als dumm zu bezeichnen, indem man ihnen Unmündigkeit unterstellt. Sie seien von Demagogen verführt worden, wüssten gewissermaßen nicht, was sie täten. Ein Erzählstrang, der genauso gut auf das Lager von Remain gemünzt werden könnte, denn die apokalyptischen Visionen vom britannischen Untergang alà Atlantis trafen ebenso wenig ein. „Populismus“ kam also von beiden Seiten, aber Püttmann hält eben nur den einen für kritikwürdig, weil ihm das Ergebnis nicht passt.

Bei Polen verhält es sich ähnlich. Wie man auch zu den Regierungen in Ungarn und Polen steht: sie sind demokratisch gewählt worden. Der Gedanke, dass die Wähler „nicht verstanden haben“, erinnert deutlich an Jürgen Trittin von den Grünen, der bei einem enttäuschenden Bundestagswahlausgang sich zu der Parole verleiten ließ, die Wähler hätten das Programm nicht verstanden.

Diese Gedanken sind meiner Ansicht nach „autoritär“, da die Sprechenden wissen, was für andere besser sind. Äußerungen wie diese sind Floskeln des Nannystaates, der Besserwisser, eben jener, die das freie Individuum gewissermaßen nicht für selbstverantwortlich halten, und – um ein Wort von Püttmann zu übernehmen – die Demokratie in die Ochlokratie treiben. Dass Püttmann jedoch als Politikwissenschaftler wissen müsste, dass Ochlokratie eine Pöbelherrschaft ist, in der das Volk die eigenen Interessen mit Gewalt (!) durchsetzt, unterstelle ich mal als wissenschaftlicher Kollege – allerdings ist mir weder in Großbritannien, noch in einem anderen Land bekannt, dass die Wahlen dort mit Gewaltandrohung abgelaufen wären. Der extreme Jargon, die Radikalisierung der Sprache, geht also eben nicht (allein) vom Pöbel aus, sondern man kann hier beobachten, wie selbst promovierte Wissenschaftler in eben jenen Jargon verfallen, den sie anderswo immer wieder kritisieren.

Auf einem ganz anderen Blatt steht Püttmanns Äußerung, die polnische Regierung halte sich nicht an die Weisung von Papst Franziskus. Das kann man als Heuchelei sehen; aber was hätte denn die Dame tun sollen? Den Papst gar nicht treffen? Oder sich die eigene Politik vom Vatikan diktieren lassen? Das hat sich schon Venedig vor Jahrhunderten nicht bieten lassen, und es stände auch im Sinne der Scheidung von Staat und Religion nicht an. Also, wie hätte eine konkrete Handlung der „rechtskatholischen Regierung“ Polens aussehen sollen? Es bleibt nur das, was Püttmann intendiert: Polen hat sich außerpolnischen Moralia zu beugen. Die Religion bricht die Staatsraison. Püttmann geht es gar nicht so sehr um die katholische, sondern die rechtskatholische Regierung. Würde sie seine Meinung umsetzen, wäre alles in Butter.

Und das ist ein autoritärer, kein liberaler Gedanke. Punkt.

Italo: Autoritäres Denken bei Püttman: Brexit-Wähler sind dumm, und polnische Politik wird im Vatikan entschieden.

Was danach geschieht, hatte ich auch nicht so erwartet. Nicht nur werde ich als teuflischer Wortverdreher bezeichnet, sondern auch als jemand, der dem Schönen, aber nicht dem Guten diene. Interessant auch die Reaktion, als ich – ganz Historiker – mit Quellen und Aussagen kontere. Ich habe mit Sicherheit kein Püttmann- oder Bednarzarchiv bei mir auf der Festplatte; was der Herr so von sich gibt, kann man sich – leider – oftmals denken, man muss es dann nur noch zusammentragen.

Püttmann: Der Teufel ist ein Meister der Verdrehung. Seit wann muss man jedes Wahlergebnis klug finden, um nicht als autoritär zu gelten?
Italo: Sie unterstellen Ochlokratie, „verführte Wähler“, also Unmündigkeit. Deutsches Wesen, Welt und so… (Bild)
Püttmann: Wow, Sie sind ja ein ganz treuer Follower, mit regelrechtem Püttmann-Archiv. Klar ist d. Rechtspopulismus ein Ochlokratie-Symptom.
Italo: Mir genügten 5 Minuten, um das zusammenzukleben. Ihre Ansichten sind bekannt. Bedaure, bei Ihnen Euphorie geweckt zu haben.
Italo: Und jetzt den Rechtspopulismus-Hammer bei anderen Ansichten schwingen… argumentativ begeisternd!

Ab diesem Zeitpunkt geht es nicht mehr um Argumente, sondern nur noch um die Abwertung meiner Person. Statt beim Thema zu bleiben, fügt sich Püttmann völlig in das enganliegende Korsett jener Engstirnigen ein, die er angeblich bekämpft. Nachdem ich also schon als Quasi-Teufel und Anti-Guter eingeschätzt, kurz, als Bekämpfer der gerechten Sache eingegrenzt werde (obwohl Püttmann mich so gut wie gar nicht kennt, außer in der Hinsicht, dass ich ihn kritisiert habe!) fällt also die Vokabel des „Reaktionären“.

Püttmann: Ihre kann ich nur angesichts Ihrer reaktionären Tweets und Helden hier erahnen. Gesicht zeigen Sie ja vorsichtshalber nicht.
Italo: Bin mit Klarnamen über Webseite durchaus sichtbar. Aber Sie machen sich Ihr Bild ja sehr schnell.
(Anmerkung: Wenn man auf meine Twitterseite geht, sticht links das „marcogallina.de“ eigentlich ins Auge. Sollte man meinen.)
Püttmann: Traurig, wenn ein Mensch mit unbestreitbarem Sinn für das Schöne das Gute verfehlt.

Nur, damit habe ich prinzipiell nicht so viele Probleme. Bloy war auch ein Reaktionär, der für meinen Zugang zum Katholizismus mehr und mehr an Bedeutung gewinnt. Weil Bloy aber Reaktionär war, heißt das nicht, dass er eine bestimmte „Agenda“ mit anderen teilte. Bereits mit seinen frz. Künstlerkollegen hatte er seine Probleme. Selbstironisch meinte ich daher vor kurzem Mal (und darauf bezog sich vermutlich Püttmann) auf Twitter:

Dass einige keinen Humor verstehen, besonders die Streiter für das „Gute“ (wie sich Püttmann hier selbst stilisiert), weil er nur das sieht, was er sehen will, kann man verstehen. Mir allerdings die „Menschenwürde der freien Person“ et alii abzusprechen, eben das, was oben Püttmann bewiesenermaßen selbst bezüglich Millionen polnischer und britischer Wähler tut, ist schon ein starkes Stück. Es ist zugleich aber auch ein interessanter Beleg, wie angeblich „liberale“ und/oder „konservative“ Kräfte der Mitte eine Eskalation in dieser Gesellschaft vorantreiben, derer sie andere bezichtigen. Das Phänomen Bednarz lässt grüßen.

Püttmann: Traurig, wenn ein Mensch mit unbestreitbarem Sinn für das Schöne das Gute verfehlt.
Italo: Sagt der Mann, der Artikel „liked“, die das Abendland als Fiktion darstellen, obwohl er die These nicht teilt.
Püttmann: Selbstverständlich ist das Abendland keine Fiktion, nur seine aktuellen selbsternannten Retter sind seiner meist nicht würdig.
Italo: Stimmt, und daher stimmen sie allem zu, was der Sache nützt. Das ist nicht das Gute, sondern Machiavellismus.
Püttmann: Nicht der „Sache“, sondern der Humanität, der Menschenwürde der freien Person. Das Imago Dei kapiert Ihr Reaktionäre nie.
Püttmann: Und wieder verdrehen Sie ins Gegenteil: Gerade die machiavellistische Kirchenfraktion ist mir zuwider.
Italo: Ganz abgesehen davon bin ich nicht nur reaktionär, Aber genau dieses Schubladendenken macht Sie ja autoritär.
Püttmann: Jaja, Sie sind „libertär-reaktionär“. Die Freiheit für Sie, die Reaktion für die anderen bzw. zur Befriedigung Ihres Ästhetizismus.
Italo: Ach, jetzt bin ich der Machiavellist? Von wegen Verdrehung. Ihr eindimensionales Menschenbild ist ja beachtlich christlich.
Püttmann: Beziehen Sie nicht alles auf sich selbst. Ob Sie Machiavellist sind, weiß ich nicht.
Italo: Sie haben für einen Wissschftl. ein höchst manichäisches Weltbild. Sich selbst als Gute, und andere als „die“ denunzieren.
Italo: Oh, und ich bin Machiavellist, aber im freiheitlich-republikanischen Sinne. Discorsi und so.

Wie lächerlich das ganze anmutet, da ich als Regionalist immer die Selbstbestimmung von Menschen und Völkern, gerade im Zuge des Brexit oder auf regionalistischer Ebene mit Südtirol, Schottland und Katalonien unterstützt habe, wissen Leute, die schon etwas mehr gelesen haben, als nur meine „reaktionären“ Tweets, die ja auch einer humorvollen Note nicht entbehren. Ach ja, ich vergaß noch meine „Helden“, von denen ich selbst nichts weiß. Meiner Kenntnis nach wurde Ludwig van Beethovens Account nach seinem Tod nicht fortgeführt.

Püttmann: So, nun noch gesegneten Sonntag Ihnen, ich wende ich Erfreulicherem zu.
Italo: Wünsche einen erfreulichen Tag des Herrn.

Letztendlich ein Armutszeugnis der Diskussionskultur unter Akademikern. Püttmann schreckt auch nicht davor zurück, seine eigenen Verdrehungen mit seinen „Werten“ (siehe Abendland) zu begründen, heißt, er gibt ganz offen zu, einen Artikel wie den zur Leugnung des christlichen Abendlands zu stützen, auch, wenn er die Grundthese nicht teilt – nur, um dem Gegner zu schaden. Dieser opportunistische Machiavellismus widerspricht so völlig dem, was ein „katholischer“ Journalist tun sollte. Nicht nur im Sinne der Zehn Gebote, sondern auch der Weisung: deine Rede sei Ja und Nein. Die wissenschaftliche Sichtweise, nämlich, einen grundlegend falschen Sachverhalt aus ideologischen Gründen zu stützen, will ich hier nicht einmal mit der Pinzette anfassen.

Es erinnert stark an das Diktum nach Juncker: Wenn es ernst wird, muss man eben lügen.

War also dieser Sonntagmittag nur vergeben? Im Gegenteil. In der direkten Konfrontation und im Umgang miteinander bemerkt man ja deutlich mehr als nur im üblichen Rezipieren von Nachrichten. Dass Püttmann sich nicht zum neutralen Diskurs fähig zeigt, ohne nach kurzer Zeit ad hominem zu argumentieren, und sein Aufteilen von Personen in bestimmte Spektren offensichtlich ist, nur, weil ich ihn wegen einer nicht liberalen Ansicht kritisierte, lässt erahnen, wie weit auch manche angeblich so weltoffenen Leute, die für Gelassenheit und gegen Hass antreten, in Sekunden umschalten. Der Wert des Einzelnen, den Püttmann ja so vehement gegen mich ins Felde führt – warum eigentlich? – bekam ich jedenfalls nicht zu spüren, als vielmehr Abdriften ins Persönliche und Aussortierung in die Schublade.

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