Neulich las der Löwe nach längerer Zeit wieder bei seinen üblichen Verdächtigen und ging auch die Leserkommentare durch. Als es um die herrschenden Zustände in Deutschland ging, blieb ihm dabei eine Zeile im Gedächtnis:
Wer ist sich schon sicher? – Es hat jedenfalls in der Zeitung gestanden.
Diese zwei prägnanten Sätze hätten beinahe literarische Ambitionen, kämen sie nicht aus der Feder eines Schreibers, der diese im vollen Ernst meinte. Ansonsten schon annähernd kafkaesk.
Nein, meine Damen und Herren, könnten wir uns immer darauf berufen, moralisch richtig zu handeln oder politisch richtig zu wählen oder überhaupt unser Handeln danach auszurichten, weil etwas „in der Zeitung steht“, also gewissermaßen unsere Meinungsbildung und Geistesbildung an ein anderes Medium abzugeben; und damit – sollte etwas schieflaufen – auch unsere Gewissensbildung darauf zurückführen, ergo unser Verantwortungsgefühl am Hutständer der bundesrepublikanischen Gemütlichkeit abhängen – dann haben wir die Freiheit nicht verdient.
Was realiter in der Sowjetunion geschieht, schreibt nicht die Prawda vor, und wer im Nachhinein behauptet, es hätte „doch in der Prawda gestanden“, macht sich entweder lächerlich, oder gibt sich als Tor zu erkennen.
Es ist die Entlarvung der Abgabe jedweder Selbstverantwortung. Ich habe den Eindruck, dass dieses Leben in Regelmäßigkeiten; des Sicherfühlens solange sich andere sicherfühlen; diese nahezu fatalistischen Hoffnung auf Regeln und Grundsätze – jener Teil des Deutschtums ist, der mir immer verschlossen bleiben wird, im Angesicht von alltäglicher Anarchie und dem Chaos, welches die Welt ebenso beherrscht.
In gefährlichster Hinsicht ist es aber auch jene „phlegmatische Indifferenz“ – um ein Wort von Münkler abzuwandeln und auf den Kopf zu stellen – die in ihrer letzten Konsequenz zur Diktatur führt.