Mürrische Indifferenz

19. Juli 2016
Kategorie: Alltägliche Gedankenstreifzüge | Die Achse des Guten | Europa | Freiheit | Ironie | Linkverweis | Machiavelli | Medien | Non enim sciunt quid faciunt

Dass der Löwe Herfried Münkler nicht leiden kann, dürfte allseits bekannt sein. Meiner Meinung nach nicht ansatzweise so klug, wie man glaubt, mit Fehleinschätzungen und völlig falsch verstandenem Machiavellismus. Seine besten Ideen sind vom Florentiner abgekupfert und als eigene ausgegeben worden. Prinzipiell findet sich bei ihm nichts Originelles, was auch intelligent sein könnte.

Einen typischen Münkler brachte kürzlich Henryk M. Broder auf der Achse des Guten. Terrorismus sei gar nicht so schlimm, als „angemessene Reaktionsweise“ empfiehlt er „mürrische Indifferenz“, denn „wir erleben immer wieder Unfälle und Unglücke und werden damit fertig und führen unser Leben weiter“. Zitat:

Wir leben sowieso mit Gefahren der unterschiedlichsten Art, dass wir uns infizieren, dass wir uns an Haushaltsgeräten einen Schaden zufügen und derlei mehr, und die Statistiker wissen auch, dass die Risiken in diesem Bereich sehr viel größer sind, jedenfalls, wenn wir es auf die einzelne Person rechnen, als einem terroristischen Anschlag zum Opfer zu fallen. Wir müssen eine Form der Vergleichgültigung psychischer Art… hinbekommen, um die Wucht dieses Angriffes herauszunehmen, tendenziell ins Leere laufen zu lassen.

Und:

Wir müssen lernen, mit dieser Art von Lebensgefahr umzugehen, die letztlich viel geringer bleibt als die Gefahr von tödlichen Verkehrsunfällen. Wir dürfen uns den Mördern nicht ergeben, sonst würden wir aus eigentlich gescheiterten Figuren falsche Helden machen.

Und dieser Mann wird als geistiger Erbe Machiavellis gefeiert! Natürlich, „mürrische Indifferenz“, die hat Cesare Borgia mit Sicherheit weitergebracht, als er die Romagna befriedete; wir erinnern uns an auch an die „mürrische Indifferenz“, mit der Francesco Sforza der mailändische Thron in den Schoß fiel, und natürlich auch an jene „mürrische Indifferenz“ mit welcher der Fürst neue Städte behandeln muss, die er gerade erobert hat.

Wie kann jemand, der nur 10 Seiten des Principe gelesen hat, so einen – Pardon! – gequirrlten Unfug von sich geben? Macht ist immer ganz, völlig und radikal. Und wer sich die Regeln diktieren lässt, ist ohnmächtig. Stabilität, das „mantenere lo stato“, ist die oberste Diktion. Allein schon die Herausforderung bringt den Herrscher in Gefahr, weil er den Anschein der Herrschaft verliert – ein Gefühl, das große Teile der Völker Europas teilen, weil sie überzeugt sind, die Regierenden hätten die Lage nicht im Griff. Das ist brandgefährlich aus machiavellistischer Sicht!

Aber unser Pseudo-Machiavellist nimmt das nicht ernst. So, wie schon die Flüchtlingskrise oder andere Probleme. Man fragt sich eigentlich, wer mittlerweile wen beeinflusst – die Kanzlerin ihren Experten, oder der Experte die Kanzlerin. Wenn schon ein angeblicher „Realist“ sich nicht zu beinharten Antworten durchringen kann, um die Macht zu wahren, will ich nicht wissen, was erst an den „liberalen“ Lehrstühlen abläuft.

Im Leben eines Menschen gibt es nach Machiavelli zwei Gewalten: zum einen die Zustände (wie Glück, Schicksal, Abkunft etc.), zum anderen das eigene Geschick. Letzteres nennt Machiavelli „virtù“, mit dem der Mensch, so viel er davon hat, möglichst viel zu seinen Gunsten ändert. An dieser virtù zeigt sich der „virtuose Mensch“, der philosophischerseits als Inspiration zu Nietzsches Übermensch angesehen werden kann.

Dass Münkler sich in den Augen seines eigenen Meisters hier disqualifiziert, da er anscheinend keinerlei virtù besitzt, dürfte auch für jeden Laien offensichtlich sein. Wer Geschichte nur geschehen lässt, statt sie zu machen, ist verdammt dazu, sie zu erleiden.

Teilen

«
»