FAZ: Des Wahnsinns fette Beute?

1. Februar 2016
Kategorie: Alltägliche Gedankenstreifzüge | FAZ-Kritik | Freiheit | Ich bin Guelfe, ich kann nicht anders | Italianità und Deutschtum | Medien | Non enim sciunt quid faciunt | Persönliches

Mir bleiben die Worte weg. Mich durchzieht ein Gefühl der Hilflosigkeit, bei so viel geballter Idiotie, bei so viel Wahn, bei so viel Verleumdung, wie sie gerade auf der FAZ stattfindet. Der Artikel stammt – das sei der Vollständigkeit halber gesagt – aus der FAS. Was der von mir bereits erwähnte Goergen von dieser hält, hatte ich bereits anderswo zitiert.

Nicht genug, dass Justizminister Maas gestern unwidersprochen den ehemaligen Bundesverfassungsrichter Udo di Fabio als „geistigen Brandstifter“ titulieren durfte, weil dieser es gewagt hatte, die Rechtsbrüche der Bundesregierung aufzuzeigen; heute glänzt die FAZ.NET mit dem Sonntagsartikel von Frau Liane Bednarz, die gegen alles zu Felde zieht, was außerhalb des Mainstreams steht; eben außerhalb der Parallelgesellschaft der kleinen journalistisch-politischen Elite, der sie am liebsten selbst angehören will.

Muss man das wirklich lesen?

Vielleicht sollte man es gar nicht. Es ist nämlich genau das, was Liane Bednarz anderen vorwirft: eine Parallelwelt von Menschen, die ihre eigenen Vorstellungen als absolut ansehen, und alles, was außerhalb dessen steht, auf eine Anklagebank setzt, die man entweder rechts, rassistisch, putinistisch oder sonstwie akzentuiert; es ist eben jenes Schmitt’sche Freund-Feind-Schema der Polarisierung, dass Bednarz in Reinkultur anwendet. Die Scheuklappen sind offensichtlich. Da werden alle möglichen „Kontra-Bilder“ bedient: konservative Katholiken, AfD, Rechtsextreme, Neue Rechte, Russlandfreunde. Bednarz selbst sortiert, sie reiht ein, sie baut Feindbilder auf. Und irgendwie hängt alles zusammen – so mag man glauben, wenn man ihren Artikel gelesen hat: kurz, alle sind Antidemokraten! Außer mir, der fantastischen Frau Bednarz, die das stichhaltig analysiert hat!

Es ist das beste Beispiel echter Hetze. Hetze besteht daraus, Leute zu spalten und gegeneinander aufzuwiegeln. Genau das macht Bednarz hier. Sie steht in der ersten Reihe des Hasses. Sie beschreibt ihn nicht, sie lebt ihn, weil sie davon profitieren möchte. So funktioniert die Totengräberei der Demokratie. Demokratie stirbt nicht wegen Meinungen, sie stirbt, weil man diese Meinungen unterdrückt und Personen deswegen in Feind-Gruppen einteilt, die es zu bekämpfen gilt. Freiheit ohne Demokratie ist tatsächlich möglich; aber Demokratie ohne Freiheit ist unmöglich.

Selbst der gerade im Koma liegende Klaus Kelle, der als CDU-Mitglied mit Sicherheit nicht in antidemokratischen Kreisen zu verorten ist, wird hier aufgezählt; ebenso seine Frau Birgit Kelle, die mit ihrem Buch „Gender-Gaga“ nun als Dorn im Auge der Protegisten einer neuen Ideologie sitzt. Wie weit muss es in diesem Land gekommen sein, wenn der Massenstrom mit solcher Härte gegen eine Minderheit mit abweichenden Meinungen losgeht? Beanspruchen nun die Schreiberlinge die Wahrheit ganz für sich? Den Eindruck hat man.

Bei George Orwell gibt es in 1984 dafür einen Begriff, was Kelle et alii begehen: Gedankenverbrechen.

Noch ein paar Worte zu der Verfasserin Bednarz. Die Dame ist letztes Jahr durch das Buch „Gefährliche Bürger“ bekannt geworden. Dieses wurde im wahrsten Sinne „gehyped“ und kam in einem großen, renommierten Verlag unter. Allein: ein Blick auf die Kundenrezensionen zeigt, wie viele Mängel es aufweist. Die Verkäufe verliefen schleppend, trotz Kampagne. Die Gründe dafür liegen in der oftmals sehr dubiosen Arbeitsmethode von Bednarz und ihrem Mitschreiber Daniel Giesa, die aus wissenschaftlicher Perspektive Erstsemester-Niveau erreicht. Originelle Gedankengänge oder eigene Reflexionen sind nahezu kaum zu finden. Es folgt rundheraus einer eigenen Ideologie, die bestätigt werden soll. Alles wird nebeneinander gestellt, verbunden und kausal zusammengefügt. Ein Autor kennt einen anderen, also teilen sie die gleiche Meinung.

Es ist zudem unglaublich, wie ein Buch über die Neue Rechte ohne eine tiefere Durchdringung der Ideologie eines Alexander Dugin auskommt; so ist den Autoren nicht verständlich, dass für einen Neuen Rechten das Zusammenleben mit Europäern eben kein Problem darstellt, ja, die Neue Rechte sogar eher die Idee eines vereinten Europa forciert als manch andere Bewegung. Dennoch ist man sich bei den beiden Autoren auf Twitter und anderswo nicht zu schade, die dümmsten Vergleiche zu bringen und rassische Klischees zu bedienen; selbst in „Unterwerfung“ zeigt der Autor Houellebecq einen weitaus verständigeren Umgang mit den Neuen Rechten der Identitären Bewegung, als in diesem angeblichen Sachbuch.

Das ganze Machwerk der beiden besteht aus zusammengeschusterten Aussagen, besitzt aber nirgendwo nur einen Hinweis darauf, dass man sich intensiv mit einem Buch oder Denker beschäftigt – oder einfach mal ein Interview mit einer der besagten Personen geführt hätte! Das Buch ist nur eines: flach und dilettantisch. Und diesen Eindruck durchzieht auch dieses neueste Machwerk von Bednarz, die sich nun als Expertin für „Neue Rechte“, „AfD“ und alles stilisiert, was rechts von Margot Käßmann steht. Roland Tichy brachte diese Mängel auf seiner eigenen Seite schon auf den Punkt:

Ein Tiefpunkt der Zeitung ist ein Stück über angeblich rechte Radikale in den Kirchen. Vom Stil holprig und sprachlich infantil wirkt es wie ein Fremdkörper im Rahmen einer sonst sorgfältig gebauten Zeitung. Die Autorin wird als Juristin vorgestellt. Sie ist tatsächlich in einer Münchner Großkanzlei zu verorten, wo sie sich mit dem Fachgebiet der Unternehmenszusammenschlüsse beschäftigt. Das erklärt den Text: Anwälte kehren für ihre Schriftsätze die Werkstatt zusammen, um aus den Abfällen des Schreiners notdürftige Argumentationen zu zimmern und garnieren es mit dem Schwarzen unter dem Nagel. Das mag hinreichend sein für diesen Beruf in seiner einfacheren Form.

Für den Beruf des Journalisten reicht das nicht. Nicht der Mandant und sein mehr oder weniger begründetes Interesse steht im Vordergrund, sondern der Leser. Der will keinen anklägerischen, einseitigen Schriftsatz im Auftrag formuliert und bezahlt, sondern eine abgewogene Erklärung. Und so werden Kollegen abgewertet, die Grenze zwischen konservativ und rechtspopulistisch beliebig verschoben, Argumente konstruiert und Zusammenhänge herbeifabuliert. Es geht ums Recht haben wollen, nicht um eine saubere, tragfähige Argumentation. Es geht um versuchte Verleumdung, nicht Wahrheitssuche. Es ist ein denunziatorischer Ton, der sich an einem Wort fest- und es zum Galgen machen will.

Keiner der Betroffenen wurde gehört oder befragt. Dieses grundlegende journalistische Prinzip hat am Sonntag Urlaub. Dabei hätte es erstaunliches zu Tage gebracht. Wie langweilig muss es für eine im Grau einer Kanzlei Tätigen tagsüber sein, sehnt sie sich doch nach der spannenden Luft des Journalismus. Personen, die sie hier kritisiert, hat sie einst bejubelt, für sie Lesungen oder ähnliches organisiert, schwärmerische Mails über die Grenze jeder Peinlichkeit hinaus in die Welt geschickt, um Anerkennung bettelnd.

So viel Nähe scheuen gute Autoren, die Abgrenzung ist Teil des Berufsethos. Die fehlende Abgrenzung aber führt zu Ich-Störung, zur Verletzung der Autorin, deren schwärmerische Bewunderung dann in Racheversuche enttäuschter Liebe umschlägt. Was für ein Drama! Was für ein Abgrund einer armen und gequälten Seele!

Ein letztes, persönliches Wort. Gute Genesungswünsche an Herrn Kelle, dessen Blog ich seit Jahren verfolge. Ich treibe mich nämlich auch in diesem „Milieu“ herum, und muss wohl demnächst fürchten, von einer sensationssüchtigen, aufmerksamkeitsheischenden jungen Frau als sonst etwas bezeichnen zu lassen, nur, weil ich an gewissen Orten im Internet meine Freizeit verbringe. Mit Demokratie, Freiheit und Recht hat das nichts zu tun.

Mit Denunziation dagegen sehr viel.

_____________________

Ein zusätzliches Addendum: Es ist mehr als Ironie, dass die FAZ das Buch von Bednarz damals ebenso zerrissen hat, aber ihr heute eine Plattform bietet. Will man die Dame gar öffentlich ins Messer laufen lassen? Ein kurzes Zitat:

Die Belege sind dürftig. Für die ominöse Tendenz müssen fünf Kollegen herhalten: ein Autor der „Welt“, Redakteure von „Focus“, Deutschlandfunk und „Cicero“ sowie der frühere stellvertretende Chefredakteur der „Bild am Sonntag“. Warum ist die kleine Zahl kein Grund zur Entwarnung? Die Leitmedienwölfe sind „vernetzt“! So wollte der „Welt“-Autor einmal die Aphorismen des „Focus“-Redakteurs in einem Artikel über die Frankfurter Buchmesse erwähnen. Bei Springer „hatte man damit allerdings ein Problem“, so dass dieser Angriff auf das für unsere politische Kultur fundamentale Tabu über dem Freundschaftsdienst gerade noch vereitelt werden konnte, was der zurückgepfiffene Messereporter auf seiner Facebook-Seite mit „Unmut“ quittierte. Fußnote: „Screenshot liegt den Verfassern vor.“

Den Verfassern liegen überhaupt sehr viele Screenshots vor. Ihr eigenes Engagement in den sozialen Medien hat sie offenkundig dazu verleitet, die gesellschaftliche Bedeutsamkeit der Netzkommunikation zu überschätzen. Sie machen sich eine der wichtigsten Behauptungen der rechten Systemkritiker zu eigen: die Unterstellung, in Hasskommentaren breche die Stimmung einer latenten Mehrheit hervor. Den Verdacht der Autoren weckt, wer Artikel aus einem Organ „teilt“, das sie missbilligen. Zum Verfassungsfeind wird man durch die virtuelle Gesellschaft, in die man sich begibt: Papsttreue Katholikin und neuheidnischer Nationalist sind „höchstens einen Kontakt voneinander entfernt“.

Teilen

«
»