Der Löwe labert

12. Mai 2015
Kategorie: Allgemein | FAZ-Kritik | Freiheit | Medien | Persönliches

Einige fragen sich zu Recht, warum ich hier seit einiger Zeit deutlich aktiver bin, nachdem ich diesen Ort recht stiefmütterlich behandelt habe. Da sind erst einmal rein praktische Gründe: wenn ich im Fluss bin, geht es einfacher von der Hand. In den letzten Monaten blieb mir schlichtweg keinerlei Zeit, meine Schreibpraxis zu pflegen. Es gab Zeiten, da habe ich 2.000 Worte am Tag (und mehr) geschrieben, das ist heute eine Seltenheit. Und wenn man dann versucht, wieder „reinzukommen“, kann das manchmal recht anstrengend sein. Im Gegensatz zum literarischen Stoff, wo ich meistens extrem selbstkritisch drüber brüte, kann ich hier mal einen Text locker verfassen (auch, wenn er dann meist über 1.000 Worte fasst).

Daneben ein weit einfacher Grund, weshalb dieser Absatz kürzer ausfällt: weil es mir gerade Spaß macht.

Ich merke allerdings auch, dass mir seit ein paar Monaten ein Vehikel fehlt, um meine pseudo-intellektuellen Gedanken loszuwerden. Das hilft ungemein, um den Kopf frei zu bekommen, und sich wieder aufs Wesentliche zu konzentrieren. Frei nach Jürgen Becker: „Gehen wir erst mal in den Puff, dann haben wir das schon mal aus dem Kopf!“

Das Bordell, das ich früher zu besuchen pflegte, war der Kommentarteil von FAZ.NET. Die FAZ selbst lese ich seit meinem zwölften Lebensjahr. Leserkommentare verfasste ich auf der Onlineseite in unregelmäßigen Abständen seit 2010. Manchmal gehaltvoll, manchmal etwas spitzer. Zumindest habe ich mir immer Mühe gegeben, runde und ausgewogene Kommentare abzusenden; für mich waren um 2010 herum die Kommentare noch eher elektronische Leserbriefe, und ich vermute, das sahen viele „Kollegen“ ähnlich. Dass sich seitdem – und nicht nur aufgrund diverser Krisen – einiges geändert hat, brauche ich nicht weiter zu auszuführen.

Bis 2014 wurden meine Kommentare grundsätzlich freigeschaltet. Nie ging etwas verloren. Das mehrte sich seit dem Frühling 2014, weil ich wohl zu gewissen außenpolitischen Themen eine etwas andere Meinung habe als die meisten Redaktionen der „Qualitätsmedien“ (wir erinnern uns: die „Qualitätsmedien“, die nicht einmal desTschaikowsky-Jubiläums gedenken). Allerdings kann ich meine Meinung relativ gut fundamentieren. Ich habe vielleicht einige Ideen, die stark vom „Mainstream“ abweichen, aber ich kann sie argumentativ unterlegen.

Dennoch verschluckte FAZ.NET seit dem damaligen Vorfall prinzipiell eine große Anzahl meiner Beiträge, nicht nur, wenn es um Politik ging. Das ist natürlich ärgerlich – und nicht selten keimt dann der Gedanke, dass ja auch gerade das beabsichtigt ist, um den Kommentarschreiber zu demotivieren. Schließlich halte ich mich an die Richtlinien, korrigiere meine Rechtschreibung, und auch, wenn ich eine manchmal sehr starke Meinung habe – ausfallend werde ich eigentlich selten. Und gerade im Internet, das bekanntlich nichts vergisst, würde ich es allein aus Vernunftgründen nicht werden.

Dennoch wurde ein geschätztes Drittel meiner abgesandten Kommentare nicht veröffentlicht. Ich schickte sogar eine Mail an FAZ.Net, mit meinen Kommentaren und einer Bitte um Angaben von Gründen, was daran gegen die Richtlinien verstoße. Kein – wie kurios! – Kommentar.

Man wird dann etwas fatalistisch. Wenn man sowieso nicht weiß, ob durchkommt, was man schreibt, verliert man die Lust. Jüngstes Beispiel: bei diesem Artikel wies ich etwas spitzzüngig darauf hin:

Glückwunsch an Martin Schulz. Er ist der beste Wahlkämpfer, den sich Nigel Farage wünschen kann.

Das ist natürlich provokativ. Aber es trifft in einem Satz den Kern der Sache, und ist punktgenau auf dem Thema. Klar, Sarkasmus bis zum Ende – aber normalerweise zeichnen sich dadurch gute Texte aus. Wenn der EU-Parlamentspräsident tatsächlich glaubt, die Briten erpressen zu können, wo gerade diese ein Referendum über die Zukunft in der EU absegnen sollen – ist es doch klar, dass der Mann sich selbst ins Knie schießt. Aber nein, Kommentar gesperrt.

Zweimal.

Also schreibe ich lieber hier auf dieser Seite ab und an was, wenn Meinungsfreiheit immer da endet, wo die Meinung einer Redaktion beginnt. Denn mir geht es nicht darum, von anderen Leuten bei der FAZ – oder auch hier – „gelesen zu werden“, sondern in erster Linie darum, meine Meinung zu sagen. Das ist ein Unterschied, den ein großer Teil der heutigen Menschheit nicht mehr versteht. Die Menschen posaunen viel in die Welt hinaus, weil sie gehört werden wollen. Wenn es mir darum ginge, hätte ich meine Schreibfeder schon vor Jahren an die Wand hängen müssen – schließlich stieß keines meiner Manuskripte jemals auf Resonanz.

Ginge es mir demnach tatsächlich um Eitelkeit, sähe das anders aus; oft sind die Sachen, die ich schreibe, für mich eine eigene Gedächtnisstütze, um „gute Gedanken“ (zumindest welche, die ich dafür halte – sonst würde ich es schließlich nicht schreiben!) irgendwo „aufzubewahren“, um sie später mal aufrufen zu können. Wenn sie dann anderen noch gefallen, ist das natürlich besser; am besten wäre es freilich, wenn ich auch davon leben könnte – was völlig illusorisch ist, aber man darf ja mal träumen.

Teilen

«
»