Man kennt das – oder zumindest kenne ich es von mir. Es gibt Tagträumereien und Gedankenspiele, die kommen und gehen. Manchmal auch nur Gedankenblitze, die durch einen Reiz, ein Bild oder einen Geruch ausgelöst werden. Meistens verlieren wir diese kurzen Momente wieder, und wenn wir am Abend danach gefragt werden, haben wir die Erlebnisse im Kopf wieder vergessen. Wie schöne Träume, an die wir uns am Morgen noch erinnern mögen, verfliegen sie im Laufe der Sekunden, und mit ihnen auch die Erinnerungen an ihre Existenz.
Manche Träume bleiben uns jedoch als Erinnerungen lange bestehen, manchmal über Jahre, weil sie im Moment des Erlebens so intensiv waren, dass sie uns nicht mehr loslassen. So kann es auch bei diesen Tagträumereien geschehen, dass sie sich in die Tiefe unserer Hirnwendungen festbeißen, sich einnisten und dort überleben. Mit der Zeit verblassen sie vielleicht, doch ab und an kommt der Gedanke zurück. Und manche dieser Tagträume, dieser Ideen, reifen mit der Zeit, schlagen Wurzeln und werden größer, bis sie Blätter und Früchte tragen.
Ein Gedanke, der mir im Sommer 2009 kam – seitdem sind jetzt ziemlich genau fünf Jahre vergangen – erwies sich bei mir besonders widerspenstig. Er bestand nur aus einer Idee, aus einer Szene, aus drei Charakteren und einem interessantes Thema. Mit der Zeit nahmen die Figuren Gestalt an. Sie bekamen Kanten, Macken und Vorzüge. Die Handlung nahm Form an. Details summierten sich mit jedem Mal. Und wenn das Thema nur irgendwie in den Medien gestreift wurde, kam ein Segment, eine neue Idee dazu. Ein Jahr später entwickelte sich ein Fragment, das zwar mit der späteren Geschichte nur noch wenig zu tun hatte, aber in einigen prägnanten Dialogen alles umschrieb, was wichtig war.
Irgendwann wollte der Gedanke raus und vom ideellen Zustand in den materiellen wechseln. Aber wie bei einem quengelnden Kind darf man dann nicht nachgeben. Wartet man weiter, so wird die Idee besser, ausgereifter, raffinierter. Irgendwann füllt man dann sechs DIN A3 Seiten, weil man sonst den Überblick über die Gedanken verliert, und befürchtet, etwas zu vergessen.
Und wenn man dann noch ein wenig später wieder 2.000 Worte am Tag schreibt, das Essen verbrennt, weil man etwas notieren muss, und die Nacht neue Stunden gewinnt, die man früher dem Morgen zugeordnet hätte – weiß man, dass der Tagtraum Wirklichkeit wird.