Bereits am Nikolaustag hatte ich auf dieses Fest verwiesen, das ein weiterer Grund dafür ist, weshalb man sich im Dezember beschenkt. Bevor wieder irgendwelche Pseudo-Germanen ankommen, welche derlei Bräuche auf Wintersonnenwendfeste legen. Denen sei gesagt, dass christliche Traditionen aus dem Mittelmeerraum stammen und für die Spätantike mit schriftlichen Quellen zumeist belegt sind – indes pagane Völker kaum zur Schriftlichkeit neigten, und wenn, dann unter römischen Einfluss. Bräuche zu Nikolaus und Santa Lucia sind durch Schriftquellen abgesichert.
Heidnische, „uralte“ Feste – nicht.
Nach diesem allgemeinen Rundumschlag gegen Minderheiten zurück zur Heiligen Luzie. Lucia von Syrakus ist eine der beliebtesten Heiligen – wie immer, wenn man am Heiligentag etwas geschenkt bekommt. Insbesondere in Sizilien (Syrakus, Catania) wird das Andenken an Santa Lucia geehrt, durch Prozessionen und Feuerwerk. Im Mittelalter kamen die Reliquien der Heiligen Lucia zuerst nach Konstantinopel und dann im Zuge des Vierten Kreuzzuges nach Venedig. In Venedig wurde sie in Relation zu Nikolaus gesetzt, und die erwähnte Unterteilung in „Jungentag“ und „Mädchentag“ für Geschenke setzte ein, von wo sie sich in Norditalien verbreitete – insbesondere im Territorium der alten Republik und den angrenzenden Provinzen.
Aufgrund der Nähe zum kürzesten Tag des Jahres war Santa Lucia seit jeher ein Lichterfest. Selbst im protestantischen Schweden lebt dieser Brauch bis heute fort.
Leider ist die Kirche Santa Lucia in Venedig nicht mehr zu besichtigen, da die Österreicher 1861 ihren Bahnhof unbedingt an diese Stelle bauen mussten, und dafür das Gotteshaus abrissen. Die Gebeine wurden nach S. Geremia umgebettet (heute: SS. Geremia e Lucia). Wenn man heute per Zug nach Venedig fährt, erreicht man demnach auch nicht „Venezia Centrale“, sondern „Venezia S. Lucia“ in Erinnerung an diese alte Kirche. Dies war im Übrigen der Beginn einer Serie von Bausünden in eben jener Gegend. Abgesehen von dem hässlichen Neubau der in den 30ern geplant, und in den 50ern vollendet wurde, und bis heute den Canal Grande verschandelt, kam man vor kurzem auf die glorreiche Idee eine Glasbrücke als vierten Übergang in Richtung Piazzale Roma zu errichten.
In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die Österreicher zumindest ein passendes Bahnhofsgebäude errichteten. Dieses Haus wurde später logisch erweitert. Aber anscheinend sind alle fähigen Architekten im 1. Weltkrieg auf mysteriöse Art und Weise ums Leben gekommen, betrachtet man die nachfolgenden Pläne.
Es ist eine Ironie der Geschichte, dass die Heilige Lucia selbst von 1000 Männern nicht von der Stelle bewegt werden konnte, aber heute nur als Nebenheilige in einer fremden Kirche liegen darf – während ihr eigentlicher Verehrungsplatz von einem Bau faschistischen Stils und zwanzig Bahngleisen eingenommen wird…