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Stichwort Indien: dort starb Ende Juli der Jesuitenpater Stan Swamy im Polizeigewahrsam. Wird es für Christen auf dem Subkontinent ungemütlicher?
Seit 2014 ist die hindu-nationalistische Partei BJP an der Macht. Die BJP und ihr Premierminister Modi streben einen hundertprozentigen Hindu-Staat an. Am Anfang haben sie das noch nicht so klar ausgedrückt, aber mittlerweile sind die Stimmen sehr klar und deutlich, dass Andersgläubige nicht erwünscht sind. In den ländlichen Gebieten spürt man das besonders, dort haben Muslime und Christen eine schwere Zeit, weil die Leute dort mit wenig Geld von den Hindu-Extremisten leicht beeinflusst werden können, etwa, um Propaganda zu verbreiten oder einen Mob zu bilden. In den Städten ist die Situation etwas besser. Doch landesweit werden öffentliche Dienste, wie die Medien, die Justiz, der Sicherheitsapparat und auch Ausbildungsstätten stark beeinflusst. Es ist immer offensichtlicher, dass Andersdenkende oder Regierungskritiker gefährlich leben.
Ganz konkret: diesen Extremisten schwebt vor, einen hinduistisch-homogenen Staat in einem Land mit 170 Millionen Muslimen zu errichten?
Ja. Das muss man so klar sagen. Das ist ein sehr schwieriges und sehr trauriges Thema. Da spielt auch der Konflikt zwischen Indien und Pakistan eine starke Rolle. Erst 2019 waren Wahlen, dann kam es zu Bombenattentaten und die Schuld gab man den Muslimen – und schon scharte sich die große Masse der Hindus hinter der Regierung.
Würden Sie sagen, dass es einen Trend hin zur religiösen und ethnischen Homogenisierung in Südostasien gibt, der die kulturelle Vielfalt als Hindernis interpretiert, im Gegensatz zu vorherigen Jahrhunderten?
Das ist ein sehr kompliziertes Thema. Es handelt sich um Länder, die alle einmal Kolonien waren. Da schwingt einerseits der Wunsch nach dem „Ursprünglichen“ mit. Andererseits ist es eine Reaktion auf die Globalisierung und ihren Trend zur „Vermischung“.
Stimmt es, dass das Christentum als ein „koloniales Relikt“ und die Einwohner damit als „Fremde“ im eigenen Land wahrgenommen werden?
Ja, als Fremde und auch als Feindbild. Das gilt für Indien, aber auch für Nepal: alles was vom Westen kommt – heute auch in Form der USA – wird als feindlich angeschaut. Das hat auch mit der kolonialen Vergangenheit und dem Wunsch nach Eigenständigkeit zu tun. Man will zurück zum „Ursprung“.
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