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Politiker sind frei, die Kirche zu kritisieren; die Una Sancta ist in den letzte zwei Jahrtausenden deutlich Schlimmeres von der weltlichen Herrschaft gewöhnt als die wohlige moralische Suprematie Deutschlands. Der diplomatische Fauxpas hat jedoch mehrere Ebenen. Da ist zuerst die Form. Jubiläen, insbesondere, wenn sie mit Botschaftern begangen werden, haben repräsentativen und damit feierlichen Charakter. Die Zelebration der Verbundenheit ist der Kern der Sache. Hätte ein deutscher Außenminister die Jahresfeier des Élysée-Vertrages zum Anlass genommen, um die französische Innenpolitik zu kritisieren, man hätte sich zu Recht darüber gewundert. An Jubiläen verteilt man Medaillen, Fotos und Urkunden – keine Backpfeifen.
Die andere Ebene betrifft die Einmischung in Interna verbunden mit einem demonstrativen Überlegenheitsgefühl. So unzweifelhaft wichtig die Aufklärung, Aufarbeitung und Entschädigung ist, so unzweifelhaft klar ist die Instrumentalisierung des Missbrauchsgeschehens, wenn Maas unter diesem Vorwand den nicht angenommenen Rücktritt von Kardinal Marx lobt, ihn als Erneuerer preist oder die Ernennung eines weiblichen Generalsekretärs für die Bischofskonferenz hervorhebt. In den Worten des Außenministers: die Kirche soll sich „ohne Vorbehalte auch der Welt zu öffnen“.
Es ist eine neue Form der Kanonenbootpolitik, die heute keine wirtschaftlichen, sondern ideologischen Märkte freischießt. Maas nimmt Caritas, Malteser und Misereor gerne mit, aber die Kirche ist der Politik immer noch nicht modern gut genug. Sie ist in seinen Augen ein Entwicklungsland, das erhebliche Defizite in den Bereichen Gleichheit und Demokratie hat. Die Kirche ist ein angenehmer sozialer Dienstleister – aber Maas wünscht sich einen anderen Filialleiter. Was nützen der Kirche schließlich die Seelen der Menschen, wenn sie an der Welt verliert? Auch das ist ein Schlaglicht in den hundert Jahren, die Deutschland und der Heilige Stuhl ihre Beziehungen pflegen: Wir sind zurück in Berlin, der preußischen Hauptstadt.