„Herold, Prophet und Zeuge“

7. April 2021
Kategorie: Dante | Die Tagespost | Europa | Ich bin Guelfe, ich kann nicht anders | Italianità und Deutschtum | Linkverweis | Lyrisches | Mittelalter

„In keiner Zeile sticht die Versuchung durch, Dante als bloßes Stück mittelalterlicher Literatur zu sezieren. Im Tonfall von „Candor Lucis Aeternae“ hallt die Achtung der Katholischen Kirche vor einem der ganz Großen durch – ohne dass es sich um einen Prälaten oder Heiligen handelt, nicht einmal um eine Gestalt der Kirchengeschichte im engeren Sinne. Die Commedia erhält nicht den Rang eines Epos, sondern beinahe theologische, oder zumindest inspirierend-theologische Geltung. Die Wortwahl des Schreibens offenbart eine Dante-Deutung, die den „sommo poeta“ und dessen Werk nicht vereinnahmt, sondern dessen inhärent katholischen Charakter erkennt. Franziskus stellt sich in die Tradition seiner Vorgänger, wenn er auf Leo XIII., Benedikt XV. und Paul VI. rekurriert, die das Motto prägten: Dante ist unser. Er übernimmt auch das Vokabular, das eher katholisch-theologischen Vorstellungen statt literarischer Kriterien entspricht. Paul VI. sprach nicht etwa von Dantes Höllenbeschreibung, sondern einer Höllenvision. Johannes Paul II. interpretierte Dantes Werk als „veranschaulichte Wirklichkeit“, die „vom Leben des Jenseits und vom Geheimnis Gottes mit der eigenen Kraft des theologischen Denkens spricht“. Auch die Analyse Benedikts XVI. zu Dantes Gottesschau geht weiter über eine Poesiekritik hinaus.

Franziskus setzt diese Sprache fort. Etwa wenn er Dante zum „Propheten der Hoffnung“ oder zum „Zeuge des dem menschlichen Herzen innewohnenden Durstes nach dem Unendlichen“ kürt. Er ist „Herold, Prophet und Zeuge“ einer doppelten Bestimmung, nämlich auf ein letztes Ziel: „das Glück, verstanden sowohl als Lebensfülle in diesem Leben wie auch als ewige Glückseligkeit in Gott“. Er ist „Dichter der menschlichen Sehnsucht“. Und Franziskus beendet sein Schreiben mit einem Appell, der fast einem Missionsauftrag nahekommt: Dante müsse wieder bekannter gemacht werden, insbesondere „jungen Menschen“. Die Commedia hat eine Botschaft, die nicht nur in Schulen und Universitäten vermittelt werden dürfe. Künstler sollen sich von der Schönheit des Werkes inspirieren lassen und diesem „Stimme, ein Gesicht und ein Herz“ geben und so „die tiefsten Wahrheiten zu vermitteln“.“

Der Artikel findet sich bei der Tagespost.

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