Was für eine Anmaßung und für eine völlige Verkennung der eigenen Determiniertheit, zu glauben, man könne nur ein Buch über die Wiedervereinigung schreiben, das nicht politisch sei; es gibt kein einziges Buch, das nur irgendein Ereignis der letzten dreißig Jahre „historisch“ beschreiben könnte, Geschichtsbücher können demnach von vornherein gar nicht für diesen Zeitraum existieren. Es sind und bleiben politische Bücher, denn nichts, gar nichts ist seitdem so kalt geworden, dass man es historisch analysieren könnte, und ebenso ist bisher nichts Abschließendes in der Art passiert, dass man einen abgeschlossenen Vorgang bewerten könnte.
Das gilt aber nicht für die Wiedervereinigung allein, sondern für die gesamte Zeitgeschichte. Es hieße eine Türe entgegen eines tobenden Hurricanes schließen zu wollen. Die Geschichte ist immer noch in Fahrt, die Protagonisten leben, ihre Taten gilt es noch zu bewerten. Selbst um 1900 haderte das liberal-protestantische Lager Preußens damit, wenn ein „katholischer“ Professor als Historiker berufen wurde, die Faschisten taten sich zwanzig Jahre später noch mit Dantes Haltung zum Kaiser im Spätmittelalter schwer, und im Grunde hat kein einziges mediävistisches Seminar bis heute den Investiturstreit verdaut, bricht doch allerorten immer noch eine Sympathie zum Kaiser (insbesondere im deutschsprachigen Raum) oder zum Papst (insbesondere der romanischen Welt) heraus, die ganz und gar unwissenschaftlich ist und immer noch mit eigenen Überzeugungen und Prägungen einhergeht.
Kurzum: noch im Deutschen Kaiserreich war Wallenstein ein hochpolitisches Thema, und wir, die noch inmitten der neuen Epoche leben, die auf das kurze 20. Jahrhundert folgte, glauben, bereits alles beurteilen zu können, was unsere Väter, Großväter und Urgroßväter getan haben, weil wir vollgefressen sind von Vernunft und Objektivität. Was für ein Unfug! Den Wert sämtlicher populärwissenschaftlicher Deutungen zum Jubiläumsjahr können Sie getrost als Belletristik oder politische Propaganda bewerten.