Physiognomie ist seit einigen Vorfällen zu Beginn des letzten Jahrhunderts eine Kategorie, die viele peinlich berührt, wenn es darum geht, vom Äußeren auf das Innere zu schließen. Manchmal laufen dem politisch interessierten Bürger jedoch Personalien über den Weg, die daran erinnern, dass die antiken und mittelalterlichen Geistesgrößen vielleicht doch nicht so Unrecht hatten. Guglielmo Picchi, mit dem wir uns heute beschäftigen, ist dabei nicht nur äußerlich ein Wiedergänger.
Picchis Profil auf Wikipedia
Die Wangen, das kurze Haar, das schmallippige Lächeln – es dürfte an ein bekanntes Portrait erinnern. Picchi war früher einmal in Silvio Berlusconis Forza Italia, trat für den Wahlkreis der Auslandsitaliener an. Im richtigen Moment schlug sich Picchi taktisch klug auf die Seite von Matteo Salvinis Lega. Das war 2016. Heute ist der gebürtige Florentiner Salvinis außenpolitischer Berater und Staatssekretär im Auswärtigen Amt, hat ein Treffen zwischen dem Lega-Chef und US-Präsident Donald Trump initiiert und sitzt im 2017 gegründeten italienischen Think Tank Centro di Studi Strategici e Politici Machiavelli – spätestens jetzt dürfte der Zaunpfahl ins Auge stechen.
Kleiner Exkurs: während sich deutsche Think Tanks auf Erneuerbare Energien, Europapolitik oder amerikanische Freundschaft stürzen, haben die Italiener ein eigenes Zentrum für die Zukunft italienischer Politik entworfen. Dieses steht unter dem Motto „Suadere atque agere“. Als Zeichen hat die Organisation den Löwen und den Fuchs erkoren, die bei Machiavelli als Sinnbilder der beiden Fähigkeiten des Fürsten gelten: Stärke und Intelligenz („stark wie ein Löwe, um die Feinde zu schrecken, klug wie ein Fuchs, um die Fallen zu wittern“). Die Prämisse lautet, selbst zu agieren – die Welt ist komplexer geworden, aber das kann keine Ausrede dafür sein, nicht zu entscheiden. Aktion und Entscheidung, so der Think Tank, sind die einzigen Maßstäbe, um eine gute Regierung zu bewerten.
Picchis Profil auf der italienischen Wikipedia
Eine Tatsache, welche die Medien nicht durchschauen: seit Amtsantritt Donald Trump hat eine „Regierung neuen Typs“ die Bühne betreten. Sie ist eine Antwort auf die Macht der Medien. Die Medien haben in der Vergangenheit oftmals die Politik durch Stimmungsmache behindert und umgeleitet. Aufgrund der politischen Schlagseite, die fast nie konservativ war, sind dadurch insbesondere „rechte“ politische Positionen unter Beschuss gewesen. Selbst Medienmogul Berlusconi konnte sich nicht des staatlichen Fernsehens entledigen. Autoritäre Systeme machten den Fehler, gegenläufige Medienmacher über staatliche Gesetze, Zensur, Schließung oder Einmischung zu entmachten.
Donald Trump hat im Wahlkampf eine ganz andere Strategie gefunden und setzt sie nun im Weißen Haus um. Trump „beherrscht“ die Medien in einem Sinne, wie es vorher keiner tat, weil er selbst lange Zeit mit ihnen zu tun hatte, Teil von ihnen war, und weiß, wie sie funktionieren. Das galt auch für Berlusconi, aber Berlusconi zeigte sich dabei weniger elegant als Trump. Der New Yorker sorgt dafür, dass er im Zentrum der Berichterstattung steht. Jeder faux-pas, jedes noch so kleine Fettnäpfchen, jede Äußerung wird mit dem medialen Mikroskop untersucht. Andere Kandidaten hätten daher genau überlegt, wie sie am wenigsten anecken können. Trump dagegen weiß: selbst wenn er diese Route gewählt hätte, würden die Medien ihn dennoch mit der Pinzette einen Fehler nachweisen wollen. Dadurch hätte Trump sowohl Stammwähler als auch Wechselwähler verloren. Dessen bewusst, geht Trump ohne Rücksicht auf Verluste vorwärts.
Picchi im Centro Machiavelli
Der Nebeneffekt: die gesamte mediale Konzentration ist nur auf diese eine Person gerichtet. Nicht auf Pence, nicht auf Carson, nicht irgendeinen x-beliebigen Senator, der einen Skandal verursacht. Trump hat das Monopol, selbst auf Eklats. Der Apparat kann dafür im Hintergrund arbeiten. Im Fall Kavanaugh geschah ähnliches: darum wissend, dass Trump sowieso kritisiert wird, kann er auch hier „straight forward“ Kavanaugh unterstützen. Trumps womöglich größter Kniff: die Medien mit einem Tweet wie „Covfefe“ wochenlang beschäftigen, während seine Leute eine Steuerreform verabschieden. Die eigentliche politische Diskussion entfällt, weil sich die Journalisten an ihm arbeiten. Das führt aber dazu, dass rechte Politik ihre Ziele wieder durchsetzen kann.
Salvini spielt ein sehr ähnliches Spiel. Wer sieht Picchi, wenn Salvini sich als Teflon den Medien gegenüberstellt? Wer hat wahrgenommen, dass Picchi sich im Brexit-Fall entscheidend positionierte? Dass Picchi mehr oder minder das vom M5S geführte Außenministerium unterminiert und damit auf der Ebene der EU wie globaler Politik Lega-Inhalte streut? Dass Picchi bereits vor Wochen intern ankündigte, dass man den Migrationspakt stoppen werde?
Sie wissen es also vom Löwen zuerst: ER ist wieder da.