Mattarellas Bumerang

Sie haben sicherlich mitbekommen, dass es in Italien drunter und drüber geht. Dazu wäre natürlich ein Eintrag fällig. Den finden Sie als Gastspiel bei der Jungen Freiheit.

6 Antworten

Imrahil sagt:

28. Mai 2018 um 19:37 Uhr

Aber: Der Präsident ernennt auf Vorschlag des Premierministers –

das heißt naturgemäß, daß sowohl der Premierminister als auch der Präsident zustimmen müssen, um einen Minister zu machen.

Aber ja, die Rechtslage in Deutschland ist insoweit die exakt gleiche: Daher hat auch in Deutschland der Bundespräsident ein Veto gegen die Personen von Ministern und Koalitionspartnern (nur gegen den Bundeskanzler ausdrücklich nicht, das GG ist in bezug auf den eindeutig). Daß das (in Deutschland) alle Staatsrechtler nicht so sehen, heißt lediglich, daß alle Staatsrechtler insoweit Unrecht haben.

–

Was die Amtsenthebung betrifft: kann das Parlament den Präsidenten denn abwählen? Oder müßte er dazu ein Verbrechen begangen haben?

(Und nein, das ist nicht das gleiche, auch realpolitisch nicht. Wenn man nämlich bloß so tut, als handle es sich um ein Verbrechen, obwohl es keins ist, so ist das ein Putsch, gegen den man sich ganz sicher mit passivem Widerstand und möglicherweise auch mit Gewalt wehren darf.)

Marco Gallina sagt:

28. Mai 2018 um 19:50 Uhr

Es gibt bei Paladin, den ich erwähne, eine Passage, die den Minister-Vorschlag des Premiers eine „proposta vincolante“ (bindender Vorschlag) nennt. Das ist – eine – Ansicht, sie stammt aber immerhin von einem ehemaligen Verfassungsrichter und Präsidenten des Verfassungsgerichts. Wir haben es also selbst im besten Fall mindestens mit einer Lücke zu tun. Die Ansicht vieler Medien, dass Mattarella sich im recht befände, kann man also nicht teilen. Es ist also wenigstens „umstritten“. Meiner Ansicht nach handelt es sich aber vor allem deswegen um einen Verfassungsbruch, weil Italien noch viel mehr als die de facto „Kanzlerdemokratie“ Deutschland durch das Parlament lebt – daher ja die vielen Regierungsprobleme, anders als im stabilen Deutschland. Eine solch große Einflussmöglichkeit, wie man Mattarella zugesteht, nämlich ein de facto Veto bei Premier und Minister, ist nicht im Sinne einer Verfassung, in der das Parlament König ist. Es hieße, dass die Regierung zuletzt doch vor allem dem Präsidenten, nicht in erster Linie dem Parlament verantwortlich ist. Und aufgrund dieses im Grunde schwerwiegenderen Verstoßes nämlich gegen den „Sinn der Verfassung“ – erinnern Sie sich noch an das Asylrecht im Grundgesetz, wo man auch den historischen Kontext ausklammert? – halte ich das für einen Verfassungsbruch.

Beide Kammern können, wenn sie zusammenkommen, mit absoluter Mehrheit den Präsidenten wegen Hochverrats entheben.

Schön, dass Sie es als Putsch sehen – ich wurde deswegen heute schon mehrmals angegangen, weil das genau meine Ansicht ist.

Hartmut Pilch sagt:

28. Mai 2018 um 23:05 Uhr

Aus einer „auf Arbeit gestützten parlamentarischen Republik“ (Verfassung) wird eine „auf Europa gestützte Präsidialrepublik“. Dies zumindest immer dann, wenn ein paar ungeschriebene Grundpfeiler wie EU, Westbindung etc auch nur im entferntesten angerührt zu werden scheinen. Das ist wohl die heutige Verfassungswirklichkeit, wie sie sich auch in der EU-Beflaggung vieler Institutionen zeigt.

Marco Gallina sagt:

29. Mai 2018 um 10:34 Uhr

Es ist vielsagend, dass Mattarella sich bei der Einhaltung der Verfassung nicht etwa auf das Prozedere der Ministereinsetzung selbst berief, sondern auf die Einhaltung staatlicher Verträge, heißt EU- bzw. Euro-Verträge. Das übersehen nahezu alle Apologeten, die sich darauf stützen, der Präsident könne angeblich gegen Minister ein Veto einlegen – Mattarella hat diese Karte überhaupt nicht gespielt, sondern stützt sich ganz und gar darauf, dass man den Euro um jeden Preis retten muss!

Seidwalk sagt:

29. Mai 2018 um 11:07 Uhr

Ich verstehe nicht, weshalb Salvini das „all in“ gespielt hat – Sie meinen, wenn ich es recht verstehe, daß die Lega aus einer Neuwahl gestärkt hervorgehen könnte und der daher das Scheitern durch sein Beharren riskieren konnte? Worauf beruht diese Annahme?

Tatsächlich scheint die Koalition aus Lega und Cinque Stelle doch kaum arbeitsfähig zu sein – hätte sie sich verwirklicht, wäre sie früher oder später an den internen Spannungen gescheitert und hätte zum Ansehensverlust vor allem der Lega geführt, oder? Kann es sein, daß er ein wenig wie Trump denkt: Entweder alles oder nichts?

Es wäre ohnehin spannend, mehr über Salvini und die neue Lega zu erfahren. Ich kann den Mann einfach nicht einschätzen. Gerade in Diskussionsrunden wird er doch bis zur Vulgarität lebhaft und man fragt sich, ob so ein Mensch für die höhere Politik geschaffen sein kann.

Marco Gallina sagt:

29. Mai 2018 um 11:24 Uhr

Die Lega hat allein in einer Woche um 3 Prozentpunkte zugelegt. Das war die Woche, als es zum Streit kam. Reicht Ihnen das als Argument? 😉

Natürlich hat Salvini das „all in“ gespielt. Wäre es nicht Savona geworden, hätte das ganz klar einen Prestigeverlust gegenüber den Wählern bedeutet. Vielleicht gar nicht einmal so sehr der Person Savonas wegen, als dass Salvini nicht seine Linie durchsetzen konnte. Das gilt innerhalb der Rechten seit einiger Zeit als Nagelprobe, siehe USA. Damit bekommt man Stimmen.

Und ja, dass Salvini Trump imitiert, ist keine Neuheit.

Salvini ist ein Großmaul. Aber es hat schon so viele Unbedarfte, Inkompetente und Ungeeignete gegeben. Warum darf sich dann Salvini nicht einmal verbrennen? Als Innenminister hätte er am besten zeigen können, ob er es ernst meint und ob er es kann. Ich halte Vulgarität für kein Ausschlusskriterium für eine politische Karriere, verstehe auch nicht, warum das eines sein sollte. Mir ist ein vulgärer Macher lieber als ein feinsinniger Schwätzer. Warum der letztere Typus dauernd zum Zuge kommt, einfach nur, weil er reden kann und „Form“ hat, erschließt sich mir nicht. Unser Niveau ist doch bereits soweit unten, Ehre vor dem Amt etc. hat sich doch gerade wegen der Schwätzer von selbst überholt. Sollte Salvini dann nur ein vulgärer Schwätzer sein – na und? So schnell, wie die Regierungen stürzen (Sie sagten das doch selbst) ist der sowieso wieder schnell weg.

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