Berühmt sind die Fresken im Palazzo Pubblico der alten toskanischen Stadtrepublik Siena. Die dortigen Szenen stellen die gute und die schlechte Regierung dar, mit ihren jeweiligen Effekten auf Volk, Stadt und Land. Es ist dabei immer die „gute Regierung“ (buon governo), welche die Beachtung der Fachwelt und der Laien findet. Dies hat wohl nicht zuletzt damit zu tun, dass von den Fresken des Ambrogio Lorenzetti aus den Jahren 1338/1339 jenes das farbenfrohere und besser erhaltene ist. Von der „schlechten Regierung“ (cattivo governo) ist dagegen circa ein Fünftel der Fläche dem Zahn der Zeit anheimgefallen. Besonders die Stadtszene hat dabei gelitten.
Was sehen wir? Nun, auf der einen Seite eine Regierung, welche sich der Gerechtigkeit entledigt hat: Justitia liegt gefesselt zu Füßen des Rates aus den Untugenden Grausamkeit, Verrat, Betrug, Wut, Zwietracht und Kriegslust. Darüber thront ein Tyrann mit dämonengleichen Hörnern und Zähnen, dessen Dolch in der Hand auf die bereits erledigten Rivalen anspielt. Drei gefallene Engel schweben über ihm als Symbole der Habgier, des Stolzes und der Prahlerei.
Im Gegensatz zur lebenslustigen Stadt der guten Regierung erscheint die der schlechten Regierung merkwürdig leer. Man könnte zuerst auf den Gedanken kommen, dies sei allein der fehlenden Freskenteile zu verdanken, aber selbst die erhaltenen Reste zeugen von menschenleeren Straßen. Die Bürger der Stadt trauen sich schlicht nicht mehr nach draußen. Am unteren Bildrand liegt ein Ermordeter; woanders wird jemand überfallen. Bewaffnete gibt es auf dem Bild einige, doch schikanieren diese entweder die Zivilisten oder verlassen die Stadt durch das Tor, um in der Ferne zu kämpfen. Die Gebäude zeigen Risse auf oder sind zerfallen. Auf der Unterseite lesen wir im Vers, dass dort, wo die Gerechtigkeit verloren geht, den Ungerechten Recht zugesprochen wird. Die Folgen sind Raub, Vergewaltigung, Mord und Spaltung.
Das Mittelalter war ein bodenständiges, ein pragmatisches, ein klares Zeitalter. Solche Zustände wurden benannt und zugeordnet.
Wenn dagegen heute ein Staatswesen das Gewaltmonopol verliert, Raub, Vergewaltigung und Mord zum Tagesgeschehen gehören, marode Infrastruktur den Alltag prägt und die Regierung lieber Gesetze zur Einschränkung der Bürgerfreiheiten erlässt, statt sich um die Missstände zu kümmern – überragt von einem Regierungschef, der sich aller politischen Rivalen entledigt hat – sowie zuletzt die „Polarisierung der Gesellschaft“ beklagt wird, dann lebt man im besten Deutschland aller Zeiten.