Merkel siegt, Deutschland verliert

4. September 2017
Kategorie: Alltägliche Gedankenstreifzüge | Europa | Freiheit | Machiavelli | Medien | Non enim sciunt quid faciunt

Angela Merkel hat das TV-Duell gewonnen. Nicht so sehr, weil ihr Auftritt sonderlich stark war, sondern weil Schulz sich als schwächerer Kandidat herausstellte. Nicht, dass uns das überraschen würde: zwar konnte die PR-Abteilung der SPD lange übertünchen, dass sie eine Luftnummer präsentierte, aber spätestens nach dem gestrigen Sonntagabend dürfte zumindest der größte Teil des Publikums verstanden haben, dass der Kaiser nackt ist.

Dabei war das gestrige Geschehnis auf weiter Strecke eine Tortur. Weniger, weil dieses „langweilig“ war; vielmehr gab es auch äußerst verräterische Momente, in denen Schulz wie verwirrt neben sich selbst stand. Vieles wirkte aus dem Stegreif improvisiert und wenig professionell. So verpulverte der SPD-Kandidat bereits mitten in der Sendung ein Zitat, das er für sein Plädoyer am Ende vorbereitet hatte – obwohl der Spruch in seiner allgemeingültigen Aussage austauschbar war und als einziges Sondergut beinhaltete, dass es von einem islamischen Gelehrten handelte. Ein Satz aus dem Poesie-Album, der in seinem Inhalt mehr oder minder bedeutete, dass alles zwei Seiten habe, galt Schulz bereits als überragende intellektuelle Leistung, mit dem er sein eigenes Finale krönen wollte. Das eigentliche Plädoyer geriet dann zu einem etwas wirren Gestammel.

Die Anekdote steht stellvertretend für das Niveau der Runde. Es stellt eine enorme Leistung dar, jemanden zu finden, der ebenso im Ungefähren bleibt wie die Bundeskanzlerin. Medien und Politik haben diesen Messias mit Schulz gefunden. Statt auf die Fragen zu antworten, fasste Schulz langatmig oft bekannte Situationen zusammen, was bspw. die Mittelmeerroute oder den „Dieselskandal“ angeht. Wenn Merkel in gewissen Situationen mit Faktenwissen und Abgekühltheit auf die eher von Emotionen als Argumenten getragenen Vorträge des ehemaligen EU-Politikers antwortete, wirkte dies deutlich souveräner.

Dabei machte auch die Kanzlerin nicht die beste Figur. In der Tat trat sie nicht anders auf als sonst; doch der direkte Kontrast zu Schulz ließ sie geradezu strahlen. Auch als Anti-Merkelianer war dies nicht zu übersehen. Teile des Unionslagers, die von der Flüchtlingspolitik verprellt worden sind, könnten an diesem Abend durchaus wieder „ihre“ Kanzlerin entdeckt haben; damit meine ich weniger bereits festgelegte FDP- oder AfD-Wähler, als vielmehr jene Bürgerlichen, die am Wahltag ganz zu Hause bleiben wollten.

Von den Moderatoren war es einzig Strunz, der bestimmt nachfragte oder zu Festlegungen drängte. Dieser wird mittlerweile wegen seiner Fragen zur Migrationskrise auf Twitter als verkappter Rechtsextremer abgekanzelt; auch das spricht wieder Bände über die Ideologisierung in diesem Land.

Merkel wie Schulz waren nicht in der Lage, konkrete Antworten zur Integration, Zuwanderung oder dem Verhältnis zum Islam zu geben. Merkel blieb beim Dikt(at)um, dass letzterer zu Deutschland gehöre. Beide Kandidaten wichen aus oder schoben die Schuld auf die jeweils andere Partei ab, wenn es darum ging, warum bereits zur Abschiebung freigegebene Asylanten sich immer noch im Land aufhielten. Integration bestand bei Schulz nur aus Deutschkenntnissen; auch hier wich er – wie so oft – in wohliges Geschwätz aus, wenn er von den Muslimen in seiner Umgebung oder der nahe liegenden Moschee sprach, statt Antworten auf die politisch prekäre Lage in Deutschland zu geben, was Paralleljustiz und Verbrechensdelikte in weniger wohlhabenden Wohngegenden anging.

Die Verwechslung oder Gleichsetzung der Worte „Flüchtling“ und „Einwanderer“ trieb an dem Abend zudem die buntesten Blüten. Auf die Frage der Grenzschließung hin erzählte Schulz von seinen Erlebnissen bei einer Mittelmeerrettung, Merkel wiederholte wieder einmal, die Grenzen könnten nicht geschützt werden (was umso absurder anmutet, da Österreich die Balkanroute und Italien jüngst die Libyenroute verriegeln konnten). Das Mantra an diesem Abend lautete: es geht um Menschen. Artikel 1 GG. Von Fall zu Fall müsse nach Individuum entschieden werden. Die Unfähigkeit der Politik wird zur Überlastung der Verwaltung.

Oft stöhnte der Löwe innerlich bei solchen Diskursen, dass wohl der eine oder andere als Pfarrer oder Aktivist einer Nichtregierungsorganisation eine bessere Zukunft gefunden hätte, als in der Politik. Moral und Humanismus erstickten oftmals jedweden Sinn für die Realität in Deutschland und Europa.

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