„Selbst Hitler hat gewusst, dass es Finis Germaniae heißen muss“

17. Juni 2017
Kategorie: Carl Schmitt | Freiheit | Ironie | Machiavelli | Medien | Non enim sciunt quid faciunt

Die neueste Münklerei spielte sich bei Deutschlandfunk Kultur ab. Joachim Scholl befragte dort Herfried Münkler zur Causa Sieferle. Scholl ließ es sich dabei nicht nehmen, Münkler, der eigentlich Politikwissenschaftler ist, kurzerhand zum „auch Historiker“ zu erklären, um zu insinuieren, es handele sich bei Münkler um einen Experten qua Berufsstand. Sieferle Historiker, Münkler Historiker – dazu einer der „renommiertesten“. Münkler widersprach dem – naturgemäß – nicht.
Bereits die Ansage verlief dabei nicht nur mit moralisch-bedächtigem Ton, als sähe man bereits die Wolken des Vierten Reiches aufziehen, sie machte klar: hier ist eine Koryphäe, die Maßstäbe setzt. Und natürlich: Münkler war Teil der Jury, die für die Auswahl des Skandalbuchs verantwortlich war.

Die Merkwürdigkeit, dass Münkler sich erst jetzt auf Nachfrage dazu äußerte – das eigentlich Schlimme sei ja, dass man jetzt über Sieferles Buch spreche – aber bei der Erscheinung der Bücherliste nicht äußerte, sprach der Fragensteller natürlich nicht an. Zwischendurch ein Nachhaken nur, wie Münkler reagiert hätte, als sich der Skandal entwickelte – ja, Münkler wäre eben gerade in München und nicht mit seinem Bürobetrieb verbunden. Empörung und moralischer Zeigefinger funktioniert in Deutschland eben nicht aus echter Entrüstung heraus, sondern auf Nachfrage.

So blieb das Gespräch auf dem Niveau eines emotional-moralischen Schülerreferats, böse Zungen würden hinzufügen: aus FDJ-Zeiten. Münkler ging dabei auf Finis Germania nur zweimal ein: einmal, indem er Klischees aus der Presse repetierte, die aber hier bereits widerlegt wurden: „ein antisemitisches Buch“, das möglicherweise „strafrechtliche Passagen“ beinhalte. Damit deutete Münkler an, der Holocaust werde geleugnet – was jeder, der das Buch tatsächlich gelesen hat, nach kurzer Lektüre widerlegen kann. Nicht nur, dass Münkler damit indirekt zugab, das Buch nicht gelesen zu haben, es fiel ihm nichts Besseres ein, als auf die platteste aller Unterstellungen zu kommen:

»Es handelt sich um ein eher schlechtes Buch, um einen Text, der womöglich auch strafrechtliche Passagen enthält, der zutiefst von antisemitischen Vorstellungen geprägt ist, vermutlich sogar ein Buch, das schlechtes Latein ist. Denn was heißt „Finis Germania“, nicht? Selbst Hitler hat gewusst, dass das Genitiv ist, dass das „Finis Germaniae“ heißen muss.«

Zustimmend fällt ihm der Moderator wissend und zugleich tief bestürzt über die Halbbildung Sieferles Münkler ins Wort:

»Da muss noch ein E ran!«

Ich musste mir die Stelle zweimal anhören, da ich nicht so recht glauben wollte, dass ein Doktor phil. einem Kollegen unterstellt, vom Titel seines Buches keine Ahnung zu haben – und weiterhin der Meinung ist, diese Wendung sei niemanden aufgefallen, weder dem Autor, noch dem Lektor, noch dem Verleger, und auch nicht der Jury (der – ich wiederhole mich – Münkler angehörte; aber anscheinend hat ihn da der Titel nicht gewundert?). Die ganze Chose mit der reductio ad hitlerum in Verbindung zu bringen, war sodann der Auftakt für eine ganze Reihe denunziatorischer Münklereien. Nicht nur unterstellte er dem Verlag, möglicherweise Passagen im Buch geändert zu haben, sondern folgte dem Grossarth’schen Narrativ vom linken Professor, der am Ende seines Lebens nach rechts abdriftete; ganz bar der Feststellung, dass Sieferle wohl schon in den 90ern seinen Weg gefunden hatte und auch viele Passagen von Finis Germania darauf hinweisen, dass das Schriftstück älteren Datums ist. Um das Narrativ aufrecht zu erhalten, schlug Münkler nicht nur Sieferle, sondern auch Sloterdijk und Safranski noch in die ganz rechte Ecke. Auch Saltzwedel, der Finis Germania auf Platz 9 gehievt hatte, entging nicht dem Rüffel des renommierten deutschen Historikers. Hätte Saltzwedel wirklich eine Diskussion gewollt, hätte er dies im Spiegel besprechen können. Der Jury Mainstreaming oder Illiberalität vorzuwerfen sei „geschmacklos“.

Münkler versteht also nicht, was „illiberal“ sein soll, obwohl er genau mit seinem Plädoyer zeigt, weshalb Saltzwedel Nägel mit Köpfen machte. Hätte er nämlich nur eine Buchbesprechung im Spiegel geschrieben, wäre die Diskussion nicht um Sieferle, sondern um Saltzwedel verlaufen. Die Art, wie Münkler jetzt mit Saltzwedel umgeht, hätte sich kaum unterschieden. Nur hätte dann das Buch nicht dieselbe Aufmerksamkeit bekommen. Das Argument ist also ebenso scheinheilig wie auch der Rest der Einlassungen Münklers, dessen einziger Beitrag darin bestand, Kollegen zu denunzieren, Sieferle zu verleumden (der anscheinend nicht einmal das kleine Latinum bestanden hat, ergo noch dümmer als der böhmische Gefreite), über ein Buch zu spekulieren, das er gar nicht gelesen hatte, und natürlich in jedem Satz seine Treue zum Status quo zu äußern.

Bis auf eine kurze Zusammenarbeit für ein Vorwort in den 80ern hatten Sieferle und Münkler so gut wie keinen Kontakt. Erst in der letzten Minute, am Ende des Beitrags, meint Münkler wie salopp, dass er über Sieferle selbst nichts sagen könne. Experte eben.

Mittlerweile hat DLF Kultur eine eigene, sechsminütige Buchbesprechung samt Artikel zu Finis Germania herausgebracht. Von Antisemitismus steht dort – überraschenderweise! – gar nichts mehr. Wohl, weil man endlich mal durchgeblättert hat. Jetzt ist der Vergleich von Juden und Deutschen das „Widerwärtige“ per se, man hängt sich an Worten wie „widerfahren“ auf. Den Vorwurf der Holocaustleugnung versucht man noch anzudeuten (der Rezensent spricht hier von einer „Verschleierung“ des Holocaust), geht aber unter, da es dafür im Buch keinen Beleg gibt. Dennoch ist dies schon ein erstes Zurückrudern verglichen mit dem, was Münkler oder andere Feuilletonisten von sich gegeben haben.

Was Münkler als angeblicher Machiavelli-Kenner hätte erwähnen können, aber mal wieder nicht erkennt: Finis Germania hängt ein Principe-Effekt an. Das Büchlein ist wie der Fürst von Machiavelli in wenigen Stunden durchgelesen. Das macht seine Gefährlichkeit – und seinen Erfolg aus. Jeder kann den Historiker innerhalb weniger Stunden der Lüge überführen. Womöglich sollten sich insbesondere die Rezipienten seiner anderen Bücher langsam fragen, ob er auch den Florentiner tatsächlich richtig interpretiert hat. Von seiner Position als Legitimationshilfe der Politik und Gesellschaft ähnelt er jedenfalls mehr Schmitt als Machiavelli.

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