Auf der Onlineseite der Welt findet sich ein Traktat, das vom Chefredakteur Ulf Poschardt stammt. Die Lobeshymnen auf die Kanzlerin hat Klonovsky am 30. Mai bereits auseinandergenommen, es bedarf keiner weiteren Ausführungen meinerseits; außer vielleicht der Feststellung, dass seit einigen Jahren der Beruf des Panegyrikers wiederauferstanden ist. Der Panegyrikus als Dichtergattung feiert im Übrigen immer dann eine Auferstehung, wenn das Staatsoberhaupt in einer besonders mächtigen, fast gottgesandten Position sitzt. Konstantin als Beispiel. Je mächtiger der Monarch und je weniger Widerstand er hat, desto kräftiger die Laudatio. In der Hinsicht herrscht in Deutschland tatsächlich spätrömische Dekadenz.
Am selben Tag erschien in der Süddeutschen Zeitung ein anderer Artikel, in dem wir lesen:
„Merkel weiß, was ihre Worte bewegen können, und deswegen geht sie sorgsam mit ihnen um.“
Bei so vielen Vorlagen kann man sich kaum zusammenreißen. Schauen wir uns daher im Folgenden einige der schönsten Merkelzitate an, damit die von Poschardt zelebrierte merkelsche „Aura“ auf alle hier schon länger Lesenden ausstrahlen möge. Denn: auch grammatikalisch und aphoristisch ist Deutschland nach zwölf Jahren nicht mehr wiederzuerkennen.
»Ist mir egal, ob ich schuld am Zustrom der Flüchtlinge bin, nun sind sie halt da.«
»Denken beim Reden ist auch nicht so einfach.«
»Wenn man Verschiedenes denken will, braucht man vor dem Reden eine Phase des Schweigens.«
»Ich glaube, wir haben von den Gastarbeitern ein wenig übernommen, dass man in Restaurants auch draußen sitzt, dass man ein bisschen lockerer an die Dinge herangeht, dass man offener sein kann und dass alles nicht mehr so sehr genormt ist. Das hat den Deutschen ganz gut getan und sie haben mitgemacht.«
»Ich hab immer als Lieblingstier manchmal die Kröte genannt.«
»Wenn ich den Kochtopf rühre, denke ich nicht jede Sekunde: Die Kanzlerin rührt im Kochtopf.«
»Alles, was noch nicht gewesen ist, ist Zukunft, wenn es nicht gerade jetzt ist.«
»Ich bin ein großer Freund von Döner und Pizza, ich finde, dass die Italiener viel schöner auf dem Trottoir sitzen und dass die Sonne in der Schweiz länger scheint.«
»Die AfD reibt sich auch an mir, weil sich daran auch einiges festmacht.«
»Es geht, weil es meine Aufgabe ist, zu sagen, es geht. Wir können ja nicht sagen, dass es nicht geht. Das wär ja schlimm.«
»Ich musste vor zehn Jahren nicht an die Digitalisierung Deutschlands denken.«
»Unser Nachbar ist Syrien.«
»Wenn wir Europa nicht nur geographisch, sondern vor allem politisch definieren wollen, dann reicht Europa von San Francisco bis nach Wladiwostok.«
»Ich denke an dichte Fenster! Kein anderes Land kann so dichte und so schöne Fenster bauen.«
»Ein „deutscher Weg“ ist immer der falsche Weg.«
»Arbeitsamtsdirektorin zu sein, das hätte ich mir vorstellen können; es ist eine schöne Aufgabe, Menschen zu Arbeit zu verhelfen.«
»Mir selber ist nichts bekannt, wo ich abgehört wurde.«
»Was wir in Deutschland nicht können, ist, einseitig festlegen: Wer kommt noch, wer kommt nicht.«
»Auch wenn es in einigen Fragen gravierende Meinungsverschiedenheiten gibt, müssen wir miteinander sprechen, weil man sonst in ein Schweigen und ein immer geringeres Verständnis einmündet.«
»Vom Grundsatz her setzen wir uns für die Meinungsfreiheit in Deutschland ein.«