Weihnachtsmärchen mit Margot und ihren Freunden

26. Dezember 2016
Kategorie: Antike | Historisches | Ich bin Guelfe, ich kann nicht anders | Ironie | Medien | Non enim sciunt quid faciunt | Zum Tage

Politisch interessierte Leute ärgern mich, indem sie mir Artikel von Herfried Münkler zusenden. Religiös interessierte Leute provozieren mich mit Artikeln von Margot Käßmann.

Es ist Weihnachten! Also wenden wir uns Margots Weihnachtsmärchen zu, welches sie uns auf Bild.de erzählt. Die schönsten Passagen sind hier besonders hervorgehoben.

Ich möchte Ihnen Mut machen: Nutzen wir die Zeit miteinander. Wenn die Familie zusammen ist, wie wäre es mit dem guten alten „Mensch ärgere dich nicht“? Das macht Spaß, da können die Emotionen hochkochen, und etwas zum Lachen gibt es auch.

Ein freies „Mensch ärgere dich nicht“-Spiel für Margot, wenn sie es schafft, die Kinners vom Ipad und Iphone loszubekommen, und diese von Playstation und Xbox auf Brettspiele umsteigen.

Ich möchte auch Mut machen mit Blick auf die Lage in unserem Land. Was in Berlin passiert ist, tut weh. Wir können um Trost und Kraft beten für die Verletzten, die Angehörigen der brutal ermordeten Menschen, trauern mit den Opfern. Ich wohne in Berlin und finde beachtlich, wie diese Stadt weiterlebt und gerade so den Terroristen das Recht entzieht, über ihr Leben zu bestimmen.

Wenn man in Berlin lebt, dann weiß man allerdings auch: die Berliner leben nicht etwa weiter, um Zeichen zu setzen, oder um bewusst für Freiheit, Menschenrechte und Demokratie einzustehen – also alles so Sachen, die du ganz toll findest, Margot, blöderweise nur nicht im Evangelium vorkommen – sondern weil sie gar nicht anders können. In einer Stadt der überall gegenwärtigen Zerstreuung geht das Gefühl für das verloren, was wichtig ist. Morgen eine andere Gaudi. Sicher, dass es nicht vielmehr so ist, dass sich die Mehrzahl schlicht und einfach nicht dafür interessiert, man lieber weitermacht, statt Konsequenzen aus dem Geschehenen zu ziehen? Der Berliner als Protoytp der dort ansässigen Regierung …

Die Weihnachtsgeschichte, die Lukas erzählt, ist nicht beschaulich. Es geht um Menschen in Angst und Armut, die unter römischer Besatzung leben. Gerade in diese gar nicht heile Welt kommt Gottes Botschaft, dass Friede werden soll auf Erden. In den Familien und in der Welt. Das bleibt bis heute eine unvollendete Hoffnung. Aber eine Hoffnung, die immer wieder Wirklichkeit wird und für die es sich einzusetzen lohnt.

Zugegeben, das ist der Teil, um den es mir wirklich geht. Ich wage zu behaupten, die Weihnachtsgeschichte nach Lukas etwas zu kennen, und mir ist dort nirgendwo eine Zeile bekannt, in welcher dezidiert auf Angst und Armut unter römischer Besatzung eingegangen wird. Bezeichnend auch: der Kindermord von Betlehem und die Flucht nach Ägypten sind Teil des Matthäusevangeliums, indes bei Lukas die verschiedenen Wunder (Ankündigung der Geburt des Johannes; Verstummung des Zacharias; Verkündigung Mariä; Simeon und Hannah) das Weihnachtswunder einrahmen.

Unsere Margot will natürlich Parallelen zu Syrien ziehen. Das ist aber völliger Humbug, weil gerade die Zeit zu Christi Geburt als außerordentliche Friedenszeit innerhalb der römischen Reichsgrenzen zählt. Ansonsten wäre ja auch eine Volkszählung kompletter Unsinn; um solch einen bürokratischen Vorgang in Gang zu setzen, braucht es stabile und friedliche Verhältnisse – und in letzter Hinsicht auch prosperierende Umstände, denn Volkszählungen ergeben nur dann Sinn, wenn man annimmt, dass sich die Verhältnisse entwickelt haben. Denn: von bettelarmen Leuten kann ich kaum erwarten, bei einer Steuererklärung Gewinn zu erwarten.

Verstanden, Margot? Wo nichts ist, kann auch nichts herkommen. Damit auch zu den „Armen“. Klar, im Verhältnis zu „uns“ waren die Leute bettelarm. In der damaligen Zeit war dies aber eben nicht der Fall. Ganz abgesehen davon, dass das Römische Reich unter Augustus nach Jahrzehnten des Bürgerkriegs prosperierte und der Gottessohn damit in eine Blütezeit geboren wurde – der jüdische Aufstand und die Zerstörung des Tempels lagen noch zwei Generationen in der Ferne – hatte Herodes, so negativ er auch im Gedächtnis bleibt, durch seine ambitionierten Baumaßnahmen und Siedlungsprojekte viele Menschen in Lohn und Brot gebracht. Der neue Hafen Caesarea Maritima verband das Heilige Land mit dem Rest der Welt. Import und Export von Waren mit dem Römischen Reich wurde dadurch erst ermöglicht.

Kurz: die Zeit um Christi Geburt war ökonomisch positiv. Römische Truppen „besetzten“ nichts (schon deswegen, weil das Land als Protektorat nahezu Provinzstatus hatte), sondern hielten den Frieden in einer bis dato umkämpften und unruhigen Randregion. Man fühlt sich an das Leben des Brian erinnert:

Es gab im Mittelalter übrigens nicht wenige Theologen und Philosophen, die Zusammenhänge mit der politischen Situation im Römischen Reich und der Erscheinung Christi erkannten. Warum sollte Gott seinen Sohn in eine gefährliche und unruhige Zeit senden? Zufall, dass Jesus ausgerechnet in der Zeit des ersten Römischen Kaisers erscheint?

Ich möchte dies nicht weiterdenken, nur aufzeigen, dass in anderen Jahrhunderten jene Zeit, die Margot hier so als schreckliche Situation ausmalt, von anderen Menschen zu verschiedenen Zeiten komplett anders gedeutet wurde. Die Heilige Familie ist weder arm (Josef ist als Handwerker nach damaliger sozialer Definition Mittelstand), noch handelt es sich um Flüchtlinge (Josef muss schließlich nach Betlehem, weil seine Vorfahren von dort stammen!). Ich möchte dazu nicht allzu viel ausführen, da Clamormeus dazu genügend geschrieben hat; der Artikel findet sich in der morgigen Sonntagsschau.

Kommen wir stattdessen noch zu einem anderen Fund: ein anderer Evangele, nämlich Johann Hinrich Claussen behauptet: Calvinisten lösten ähnliche Ängste aus wie heute Islamisten.

Als Frühneuzeitler kann ich guten Gewissens sagen: Wir erinnern uns alle daran, wie das Volk von Genf in ständiger Angst darüber lebte, der Calvinus könne sich mit einer Ladung Schwarzpulver jederzeit auf dem Longeole-Würstchenfest in die Luft sprengen.

Noch ein Amigo? Oh weh. Ja. Da war ja noch einer. Joachim Gauck in seiner Weihnachtsansprache:

Gerade in Zeiten terroristischer Attacken sollten wir die Gräben in unserer Gesellschaft nicht vertiefen, weder Gruppen pauschal zu Verdächtigen noch Politiker pauschal zu Schuldigen erklären.

Hört sich stark nach Prophylaxe an. Bei der Äußerung …

Der Terror, den wir seit Jahren weltweit erleben, ist plötzlich vorgedrungen bis in unsere Hauptstadt.

… mag aber selbst mir nichts mehr einfallen.

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