Es gibt so Momente, da realisiere ich, dass eben nicht das gesamte klassische Erbe verloren ist. Das sind Augenblicke, in denen ich ab und an Hisaishi zuhöre. Oder heute: Einaudi.* Ich bin nicht so ein großer Einaudi-Liebhaber, als dass ich dies groß ausbreiten will; aber Divenire erinnert mich an meine Veroneser Zeit, als dieses Album in allen Läden stand. Neben der üblichen Popmusik erklang dieses Stück in damaligen CD-Läden. Insofern: der Klang der Erinnerung…
Ja, es existierte mal eine Zeit, in der man in Geschäften zwischen CDs stöberte. Unglaublich, aber wahr. Und ich vermisse diese Erfahrung.
Zurück nach Verona. Als ich 2006 umzog, war ich davon fasziniert. Das war für mich auch ein Kernelement der Italianità; dass, trotz allem, Italien seine Helden der Kultur hat. Das sind: Einaudi (Musik), Sorrentino (Film – IL DIVO muss man gesehen haben!) und Eco (Literatur), um ein paar Beispiele zu nennen. Man mag über Umberto Eco denken, was man will, aber hat Deutschland nur einen Schriftsteller auf diesem Niveau, der im Ausland auch wahrgenommen wird? Wer glaubt, jemand wie Walser, oder einst Grass sei ein Begriff im Ausland, der erliegt der Selbsttäuschung.
Eco dagegen kennt jeder, der wenigstens einmal den Namen der Rose gesehen hat.
Kommen wir aber zum eigentlichen Jammertal zurück; der Musik, das Feld, das einst das Heimatfeld der Deutschen war. Man muss kein Freund des Minimalismus sein, aber wenn man nicht gleich der Atonalität oder der „Neuen Musik“ anheimfallen will, kommt man nicht darum herum. Und wenn Italien Einaudi, Japan Hisaishi hat – wen hat Deutschland als „echten“ Komponisten zu bieten? Etwa den in London lebenden Grönemeyer?
Wer sich das schreckliche Gedudel öffentlich-rechtlicher Abendfilme mal angetan hat, weiß, dass da alles, nur keine gute Komposition dabei ist. Die Ausgeburt der wahren Mittelmäßigkeit. Da kann man den Minimalismus schmähen, da er eingängig, primitiv, vielsagend über unsere Zeit sei; aber wenigstens wird etwas geschaffen; da ist immer noch Leben, vielleicht nicht so sprudelnd wie zu Beethovens und Mendelssohns Zeiten und auch nicht so melancholisch wie Brahms oder romantisch wie Schumann; dennoch ist man erschüttert wie wenig da ist, und noch viel mehr: wie wenig Bewusstsein für diese Art von Musik, eben der orchestral-klassisch angehauchten, im Land der großen Komponisten noch bleibt.
Und je mehr man darüber nachdenkt, desto klarer wird, warum wohl jemand wie Hans Zimmer nach Amerikanien gehen musste, um etwas zu werden… dessen Musik das ZDF durchgängig kapert, in Ermangelung eigener Genies.
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*Ich könnte natürlich auch Morricone nennen, aber Einaudi hat weitaus mehr unabhängig von der Filmmusik geschaffen. Der gute Ennio hatte dagegen über 500 Filme zu vertonen.
Und bekommt sowieso noch einen eigenen Beitrag.