Am Nikolaustag feierte der japanische Komponist Joe Hisaishi seinen 63. Geburtstag. Hisaishi ist vor allem als Filmkomponist der Animes aus dem Hause Ghibli bekannt geworden, die unter der Leitung Hayao Miyazakis entstanden. In den 80er und 90er Jahren hatten Miyazaki den Ruf eines japanischen Walt Disney. Wie jeder guter Trickfilm spielt die Musik eine essentielle Rolle – und es war Hisaishi, der diese Filme prägte. Die Beziehung zwischen Hisaishi und Miyazaki ähnelt jener zwischen John Williams und Steven Spielberg: jahrelange Zusammenarbeit, Abstimmung von Musik und Film, freundschaftliche Verbundenheit. Insgesamt hat Hisaishi – der bürgerlich Mamoru Fujisawa heißt –seit den 80er Jahren Musik für über 100 Filme komponiert.
Neben seiner Filmmusik hat Hisaishi weitere Stücke geschrieben, die von klassisch-orchestral bis hin zu alt-asiatischem Stil und Jazz reichen. Dennoch ist der Hisaishi-Charakter unverkennbar, der sich durch alle seine Stücke zieht, eine lyrische, geschmeidige, klare Sprache. Hisaishi bekannte einmal, dass er besonders von Philipp Glass beeinflusst sei. Ich besitze selbst einige CDs von Glass und schätze einige seiner Kompositionen (Pietros Thema ist ein Werk von Glass), aber Hisaishi übertrifft den Amerikaner meiner Ansicht nach bei Weitem.
Die Bezeichnung „Japanischer Ravel“ kommt daher nicht von ungefähr. Theoretisch kann seine Musik auch außerhalb des Films überleben, denn Hisaishis Werk ist reine Poesie, die sich auch ohne Bilder im Klang entfaltet. Impressionismus hätte man dies während der vorletzten Jahrhundertwende genannt, und rückt ihn damit tatsächlich in eine Reihe jener großen Künstler, die ein bestimmtes Klangbild erzeugen. Komponisten wie Respighi und Debussy fallen mir neben Ravel noch als weitere Schöpfer solcher Klangwelten ein; und natürlich Rimsky-Korsakov, der auf all diese Komponisten einen großen Einfluss hatte. Tschaikowskys Klang ist ebenso spürbar.
Bedauerlicherweise ist Hisaishi in Deutschland kaum ein Begriff, was vielerlei Gründe hat. Das liegt zum einen an der geringen Bekanntheit (in Japan sticht Ghibli dagegen jede Hollywoodproduktion spielend aus!) von Miyazakis Filmen, die hierzulande kaum gefördert wird; eine Entwicklung, die ich nie verstanden habe, und auf eine gewisse Abneigung der Deutschen bezüglich japanischer Trickfilmproduktionen zurückzuführen ist. Das steht im Gegensatz zu der Wertschätzung in Frankreich, wo japanische Filmkunst und Musik weit populärer ist – und vermutlich ist das auch nicht zuletzt der Grund dafür, dass es eine Dokumentation auf Arte über den Komponisten gibt.
Vielleicht versteht man, weshalb mir diese Musik so wichtig ist, wenn ich es an je einem Beispiel aus einem Film verdeutliche:
Nausicäa aus dem Tal der Winde
Porco Rosso (überdies ein Film, den man gesehen haben sollte!)
Das sind nur ein paar Links. Sie können nicht ansatzweise Hisaishis Werk wiedergeben. Aber sie vermögen einen Ausschnitt aus dem Bild rauszubrechen, welches den Charakter seiner Musik fasst. Lyrik, Epos, Drama. Alles zusammengefasst. Das geht weit über das Niveau heraus, was in Deutschland an „Filmmusik“ geschrieben wird. Indes bei uns die Werke von Miyazaki als Kinderfilme verkauft werden, gelten sie in Japan als Gesamtkunstwerk.
Und daran hat Hisaishi-sama einen großen Anteil.