Bianchis eigentliches Lebenswerk ist die 1965 gegründete Gemeinschaft von Bose. Sie erblickte an dem Tag das Licht der Welt, als das Zweite Vatikanische Konzil endete – und galt als Vorzeigeprojekt von Katholiken, die das Konzil möglichst liberal auslegen wollten. Zur Sexualmoral oder der Marienerscheinung von Fatima hat der Nicht-Theologe Bianchi bis heute Vorstellungen, die nicht der kirchlichen Lehrmeinung entsprechen. Das hat Bianchis Einfluss nicht beeinträchtigt. Papst Benedikt XVI. benannte ihn 2008 und 2012 als Experten bei der Vollversammlung der Bischofssynode, sein Nachfolger Franziskus berief ihn 2014 zum Berater des Päpstlichen Rats für die Förderung der Einheit der Christen. Zum 50. Jubiläum der Gemeinschaft von Bose lobte Franziskus die Kommunität als „prophetisches Zeichen für die Kirche“ und ein „leuchtendes Zeugnis der Radikalität des Evangeliums“.
Aber schon damals bröckelte die Fassade des brüderlichen Lebens in Bose. Klagen häuften sich über „Autoritarismus“ – ausgerechnet innerhalb der Mauern, wo der „Geist des Konzils“ besonders frisch wehen sollte. 2014 konnte Bianchi über eine von ihm erbetene Visitation die Probleme in seinem Sinne lösen. Doch die Konflikte hörten nicht auf. 2017 folgte ihm Luciano Manicardi als Leiter von Bose nach. Der Vater des Projektes versprach, sich zurückzuziehen; der Streit dagegen blieb.