„Spielfilme wie „Der Pate“ haben immer wieder die Fantasie beflügelt, wenn Katholizismus und Mafia aufeinandertrafen. Die Realität sieht jedoch nüchterner aus. Viele Mafiaorganisationen praktizieren keine Mafiariten mehr, so der römische Professor Enzo Ciconte schon im Jahr 2016. Das gilt sowohl für die kampanische Camorra wie die sizilianische Cosa Nostra, die durch Film und Fernsehen Berühmtheit erlangt haben. Die einzige große Mafiaorganisation, von der bekannt ist, dass sie immer noch Geheimriten praktiziert, ist die kalabresische ‚Ndranghetta. Sie hat mittlerweile den ersten Platz unter den italienischen Mafiaorganisationen eingenommen. Mit den Mafiamorden in Duisburg aus dem Jahr 2007 drängte sie auch ins deutsche Bewusstsein. Laut einer Studie aus dem Jahr 2013 soll sie über 50 Milliarden Euro pro Jahr umsetzen und gilt damit als eines der gefährlichsten Verbrechernetzwerke weltweit
Auch das ist ein Grund, warum nicht mehr Sizilien oder Neapel, sondern vor allem Kalabrien als Adressat des Vatikans gilt. Bereits 2019 hatte Kardinal Parolin ein deutliches Zeichen gesetzt, indem er einen Gottesdienst in einer Kirche in Gioia Tauro feierte, die auf einem vom Staat konfiszierten, ehemaligen Mafia-Grundstück gebaut wurde. Kriminelle und mafiöse Aktivitäten mit ihren „besorgniserregenden Folgen von Schweigekultur und Korruption“ seien mit der christlichen Botschaft unvereinbar. Gioia Tauro ist für seinen Containerhafen bekannt, der von der ‚Ndranghetta infiltriert ist.
Ein anderer Konfliktplatz ist der Wallfahrtsort Santa Maria di Polsi. Die ‚Ndranghetta betrachtet das Marienheiligtum de facto als Privatbesitz. Es liegt ganz in der Nähe der Mafia-Hochburg San Luca, das Corleone der ‚Ndranghetta. Alljährlich kommen die Mafiaclans bei einer Wallfahrt zusammen, um sich hier zu besprechen und Rechenschaft über ihre Tätigkeiten abzulegen. Giuseppe Fiorini Morosini, der damalige Bischof von Locri-Gerace, hielt der ‚Ndranghetta im Jahr 2010 bei einem Besuch des Heiligtums vor, dass sie den heiligen Ort der „Madonna vom Berge“ schände.“