„Auch gegenüber dem eigenen Berufsstand ist er kritisch: „Ich bin Neapolitaner. Wenn ich Showman auf dem Podium sein will, dann schlage ich da jeden!“ Im Gegenteil habe er aber im Laufe seiner Karriere die Gesten immer weiter zurückgefahren. „Klar muss man manchmal auch was geben, das ist ganz natürlich. Aber nicht mit der Attitüde: Ich bin hier. Sondern: Die Musik ist hier!“ Noch härter geht er mit dem gegenwärtigen Regietheater ins Gericht: „Was soll ein Don Giovanni auf einer Lambretta, im Ferrari oder gar im Rollstuhl, eine Mimi auf Drogen, ,Die Entführung aus dem Serail‘ auf einer Yacht der Camorra oder Rigoletto in einem Londoner Pub, das von Mafiosi betrieben wird?“
Mutis Purismus macht dabei auch vor der katholischen Kirche nicht Halt. Die profanen Lieder nachkonziliarer Zeit kritisiert er ebenso deutlich. Wie der jüngst verstorbene Filmkomponist Ennio Morricone betrauert er den Verlust der katholischen Musiktradition. „Die Geschichte der Kirche ist voll mit inspirierenden Seiten. Nicht notwendigerweise komplex und schwierig. Aber auch in der Einfachheit muss es Qualität geben: Viele Lieder bestehen heute aus wenig inspirierten Versen und den immergleichen vier Takten.“ Das ist für jemanden wie Muti, der Dirigieren als „spirituelle Angelegenheit“ ansieht, deutlich zu wenig.“