„Sardinen schwimmen im Schwarm, um sich vor Fressfeinden zu schützen. Der Gefährlichste im politischen Wasser Italiens heißt Matteo Salvini. Daher war es nur naheliegend, dass sich die Protestbewegung gegen den Lega-Chef so nannte. Die Aktion beschert der heimischen wie der internationalen Presse einen Befreiungsschlag. Gegen den Mann, der als „Capitano“ auf den Straßen gefeiert wird, schien kein Kraut gewachsen. Mit den kleinen Fischen hat der Hai endlich einen Herausforderer, den man als ernstzunehmenden Faktor der italienischen Politik darstellen kann.
Das ist zuerst einmal ein demütigendes Zeugnis für die etablierte Anti-Salvini-Politik Italiens. Denn wenn die Presse lieber auf eine alternativ-anarchische Protestbewegung setzt statt auf einen „Anti-Salvini“ in der Politik, dann heißt das schlicht: Es gibt auf dem politischen Parkett niemanden, der Salvini mit normalen Mitteln Herr wird. Die amorphe Sardinenmasse gilt gefährlicher als der Chef des Partito Democratico (PD), Nicola Zingaretti; gefährlicher als Ex-Premier Matteo Renzi, der sich mit seinem Projekt „Italia Viva“ von den sozialdemokratischen Genossen gelöst hat; und auch gefährlicher als Luigi Di Maio, Salvinis Ex-Koalitionspartner von der Fünf-Sterne-Bewegung (M5S).
Will man nämlich den Grund verstehen, warum es plötzlich ein Potential in der italienischen Gesellschaft gegen den Ex-Innenminister gibt, dann deswegen, weil seine linken Herausforderer allesamt gescheitert sind. Der sozialdemokratische PD und die basislinken Sterne arbeiten seit September zusammen, womit ein Zustand eintritt, der für die Linken stets eine Nagelprobe war: Regierungsverantwortung. Der Zustand der deutschen PD-Schwester, der SPD, zeigt dies ganz deutlich auf. Nach Jahren der Regierung sehnt sich die Basis nach der wohligen sozialistischen Ideologie zurück. Sie will Opposition sein, revolutionär, nicht dem Establishement angehören, sondern der Avantgarde.“