Frei nach Aesops Fabel.
Ein alter Löwe war schwer erkrankt und lag regungslos in seiner Höhle. Nach Tagen kam er zur Erkenntnis, dass sein Ende gekommen war, und berief sein ganzes Königreich zu sich: jedes Tier sollte ihm ein letztes Mal Reverenz erweisen, bevor er sich von diesem verabschiedete. Schon bald kehrte der ganze Hofstaat ein, verneigte sich vor seiner Hoheit, dann kamen die anderen edlen Tiere und zuletzt die gemeinen.
Bald fiel dem Löwen auf, dass der Fuchs fehlte. Der Wolf, der letzterem viele Streiche verübelte, sah seine Chance gekommen, und sprach dem kranken König zu: »Seht Ihr, wie schlecht der Fuchs Euch gesonnen ist? Zeigt das nicht seinen wahren Charakter? Er hält sich für etwas Besseres! Eitel wie er ist, hält er es nicht für nötig zu kommen. Vielleicht ersinnt er auch schon einen Plan, wie er Euch nach Eurem Tod das Königreich entreißen kann, der Verräter!«
Bei den letzten Silben trat der Fuchs in die Löwenhöhle, und hatte noch so viel mitbekommen, als dass er wusste, dass die Rede gegen ihn ging. Den König zeichnete die Krankheit, aber als er den Fuchs sah, grollte er wie eh und je. Unter dem Grinsen des Wolfes machte er dem Fuchs viele Vorwürfe, bis er sich zuletzt in die Drohung steigerte, ihm am besten sofort das Fell über die Ohren zu ziehen.
Der Fuchs dagegen wusste zu beschwichtigen: »Mein guter Herr, niemals würde ich Euch vorwerfen zu irren, da ich niemals Eure Weisheit und Klugheit erreichte; doch lasst Euch sagen, dass mein spätes Eintreffen nichts mit Verrat an Eurer Person zu tun hat. Im Gegenteil! Aus Liebe und Treue zu meinem König kam ich zu spät, da ich seit der Nachricht, dass Ihr krank seid, nicht mehr ruhen konnte!«
»Und wie sieht diese Treue aus?«, hakte der Löwe skeptisch nach. Darauf entgegnete der Fuchs: »Stundenlang dachte ich darüber nach, wie ich ein Heilmittel für Eure Majestät finden könnte und fand schließlich nach langer Suche eine Medizin, die Euch von Eurem Gebrechen befreit. Glücklich, dass ich es noch vor einer Stunde fand; unglücklich, dass ich leider, leider keinen Zugriff darauf habe!«
»Sprecht, sprecht!«, wurde der Löwe ungeduldig, »wie sieht die Medizin aus?«
Da grinste der Fuchs listig, hob die Tatze, und deutete auf den Widersacher in der Höhle: »Ihr müsst Euch ein Wolfsfell – noch ganz frisch und warm – um Bauch und Rippen binden.«
Erfreut befahl der Löwe darauf, dem baff gewordenen Wolf das Fell über die Ohren zu ziehen; der Fuchs nahm diesen Auftrag demütig an und raunte seinem Todfeind zuletzt zu, bevor er sein Geschäft begann: »Wie du mir, so ich dir.«