Nach so einem blamablen Auftritt wie bei „Cartabianca“ hätte man denken sollen, dass der Betroffene schweigt. Wer so denkt, hat nichts von der Eitelkeit deutscher Journalisten verstanden, bzw. den damit verbundenen Auftrag, stets Kämpfer für das Schöne und Gute zu sein. Die Möglichkeit, dass man falsch liegt, ist ausgeschlossen. Es geschieht stattdessen dasselbe Spiel, wie wir es auch als Normalbürger kennen, wenn Journalisten mit Leuten zu tun haben, die nicht ihrer Meinung sind: sie vergraben sich im Bunker, sehen sich von „äußeren Mächten“ unter Beschuss, glauben an Verschwörungen. Ja, es ist so ziemlich das Muster, das die etablierten Redaktionsbesetzer ihren Lieblingsobjekten unterstellen: den Wutbürger kann man so schön aufs Korn nehmen, weil er sich in seiner Paranoia verliert. The left always projects.
Sie glauben mir nicht? Ein kurzer Blick auf Gümpels Facebookseite spricht da Bände. Die Posts sind allesamt italienisch und das Publik daher klar. Gümpel sammelt den verstreuten Anhang der Regierungskritiker, inszeniert sich als Freund der Italiener, gegen das Populistensystem. Dass derzeit 64 Prozent der Wähler weiterhin für Di Maio und Salvini stimmen würden, stört da eher. Man übernimmt den „Resist“-Gedanken aus den USA. Die linksliberalen Italiener liegen also Gümpel zu Füßen, schließlich kommt er aus dem Vorzeigeland Deutschland.
Wie so oft in diesen polarisierenden Zeiten spielen Fakten und Sachthemen keine Rolle. Das Gefühl diktiert die Sachlage. Menschen scheiden sich heute nicht mehr an ihrer Ideologie, sondern bereits an der Wahrnehmung. Wo der Rechte ein versifftes Viertel von Linksautonomen sieht, erspäht der Linke ein hippes Szeneviertel.
So ist auch für Gümpel klar: was bei Cartabianca geschah, war ein Angriff auf ihn. Das Motiv: weil er Deutscher sei. Es ist so ein absehbares, einfaches, dumpfes Motiv, ein Herunterleiern aller Ressentiments gegen vermeintliche Ressentimentinhaber, dass man selbst peinlich berührt ist, dieses Narrativ bereits im letzten Beitrag postuliert zu haben. Gümpel leiert alle Klischees linksliberaler Journalisten ab. Angriff. Auf ihn. Wo er es war, der Belpietro nicht ausreden ließ, seine Stellungnahme störte, ja, verhinderte. Belpietro ein Rassist, weil er sich dagegen wehrt, dass ausgerechnet ein Gast aus einem fremden Land ihn im heimischen TV mundtot machen will. Dass Gümpel jener ist, der die Meinungsfreiheit nicht akzeptiert hat, kommt ihm gar nicht in den Sinn.
Nachdem der RTL-Korrespondent also ganz in SJW-Manier die Rassenkarte gezückt hat, kommt die nächste Stufe. Während die einen überall die Weisen von Zion vermuten, andere genau um die Macht des Großkapitals wissen, hat Gümpel den Feind ausgemacht: er ist Opfer des Familismus. Belpietro und Berlinguer kennen sich über verwandtschaftliche Verhältnisse. Überraschung! So, als ob das in Deutschland in den Medienkonzernen viel anders wäre. Ein Bild reicht zur weiteren Erklärung:
(Der Wahrheit die Ehre: das Schema hat sein Freund Riccardo Pugliesi aufgemalt. Aber dass Gümpel dieses für bare Münze nimmt und sich natürlich auf den Boden dieser Theorie stellt und als Erklärung – für … ja, was eigentlich? Dass er Belpietro boykottiert hat? – anführt, ist Tatsache.)
Das ärgerlichste am deutschen Journalismus bleibt seine Vorhersehbarkeit. Ein Schritt folgt logisch auf den nächsten. Bis man sich völlig lächerlich gemacht hat. Und dann bleibt wieder die Frage: warum nimmt uns keiner ernst?