Wenn ein Volk seine Eigentümlichkeit verläßt …

22. Mai 2017
Kategorie: Freiheit | Fremde Federn | Historisches | Ironie | Italianità und Deutschtum

Meinte ein gewisser Herr nicht jüngst, Hölderlin klänge wie ein betrunkener Faschist? Man sollte die Truppen von Kahanes Gnaden niemals auf Joseph Görres loslassen; bei ihm lesen wir u. a. bei „Über den Fall Teutschlands und die Bedingungen seiner Wiedergeburt“:

Darum ist es unter allen Verblendungen die unseligste, wenn ein Volk seine Eigentümlichkeit verläßt, wenn es, mißkennend seine innerste Natur, in fremde Kreise hinübertaumelt und, entsagend individueller Sinnesart, zu erstreben sucht, was nicht seines Berufes ist, und gering dagegen achtet, wozu ihm die Kraft verliehen wurde. Es ist zu glauben, daß diese freiwillige Verirrung unter den Teutschen ihr Ziel gefunden; dagegen tritt jetzt äußerer Zwang zum gleichen Zwecke ein, der früher nicht gewesen. Mögen sie nicht übermütige oder frivole Hoffnung hegen; derjenige, dem sie zur Dienstbarkeit sich freiwillig oder gezwungen hingegeben, haßt Halbheit jeder Art; er wird ihre ganze äußere Willenskraft zu seinen Zwecken in Anspruch nehmen; immer fester und fester wird das System der Bundesstaaten sich zusammenziehen, daß zuletzt jeder Gedanke von Selbstständigkeit als Rebellion geahndet wird. Aber mögen sie zugleich auch von krankhaft-hypochondrischer Furcht sich nicht irren lassen, ihr inneres Leben wird nicht angetastet werden, wenn sie wirklich mit Ernst es behaupten wollen … Wird teutsche Art und Sitte sich daher nicht selbst verraten, von außen wird sie nicht angefochten werden; was vermögen auch alle aufgedrungenen Formen gegen eine Nation, die ernstlich ihr Wesen verteidigen will? Selbst fremde Dynastien werden ihm nicht wesentlich gefährlich sein, da sie selbst nicht leicht der eindringenden Nationalität sich erwehren und nach wenigen Generationen schon der allgemeinen Masse gleichartig geworden sind, will also die Nation gründlich in innerer Bildung vorwärtsschreiten, noch ist ein weites Feld ihr aufgetan…

Alles Fremdartige, das unangeeignet ins Leben eingedrungen, wird in ihm zum Krankheitsstoff und muß ausgeworfen werden, damit die Gesundheit bestehen könne; alles Eigenartige hingegen, das ihm wirklich angehört, muß geweckt und angefrischt werden ohne Unterlaß; denn welche Kraft nicht frei beweglich spielt, die ist dem Leben abgestorben und wird bald in trägem feisten Fleisch begraben… Was die Teutschen jetzt zu erstreben gesucht, wird ihnen von selbst zufallen, haben sie nur erst innerlich sich dessen wert gemacht; werden sie je zu einer kräftigen, in sich einigen Nation erwachsen sein, die Fesseln, die man ihnen etwa angelegt, werden, wenn sie sich aufrichtet, von selbst zerreißen und in Staub zerfallen, vermögen sie aber auch nicht zu solcher Würdigkeit sich zu erheben, immer wird, was sie sich gepflanzt, auch ihnen Früchte tragen; von Dornen aber lassen nimmer sich Feigen lesen.

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