Kronen stehen oft im Mittelpunkt der Königsherrschaft, um Legitimität und Anspruch des Monarchen zu symbolisieren. Nicht jeder Kopfschmuck ist jedoch dafür geeignet, mancher führt sogar ein richtiges Schattendasein, weil nur zu Krönungszeremonien getragen. Wieder andere Kronen sind bloß symbolische Wappenzier, und hatten nie das Glück, jemals ihrer eigentlichen Bedeutung zugeführt zu werden. Nur der Zeitgeist nimmt die Krone oftmals dann wahr, wenn er eigentlich glaubt, dieses altmodische Relikt längst verdrängt und vergessen zu haben, aber im letzten Nischenwinkel abendländischer Geschichte doch noch einmal das Gold alteuropäischen Ornats aufblitzt und ihn dann eines Besseren belehrt.
Die spanische Krone ist ein interessantes Beispiel. Während die meisten Krönungszeremonien im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert ihr Ende finden – einerseits belässt man es bei bloßer Zeremonie, andererseits finden die meisten Monarchien Anfang des letzten Jahrhunderts ihr Ende – liegt in Spanien der Fall anders. Bereits im 15. Jahrhundert kommt in Iberien diese Tradition aus der Mode. Die Krone bleibt zwar ein Symbol: wie in den skandinavischen Ländern, die bei der königlichen Vereidigung die Insignien auf ein Kissen betten, werden auch die Könige der Halbinsel weiterhin in Anwesenheit der Krone proklamiert; aber ihre eigentlichen Rolle als Kopfschmuck verlieren sie.
Auch hier zeigt sich die Geschichte in ihrer Rolle als Meisterin der Ironie. Als Geburtsstunde Spaniens gilt allgemeinhin die Hochzeit zwischen Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragon am Ende des 15. Jahrhunderts. Da die Königreiche dennoch eine getrennte Verwaltung und Rechtsprechung besitzen, und vom lokalen Adel vertreten werden, spricht der Historiker von der „Krone Spaniens“ als Summe der verschiedenen Königreiche, deren Haupt ein gemeinsamer Monarch ist. Auch in ihren Untereinheiten ist das spanische Reich schon vor seiner Entstehung vor allem eine Ansammlung von Königreichen, die unter einer „Krone“ stehen. Isabella ist eben nicht nur Königin von Kastilien, sondern auch León, die von der Krone zusammengehalten werden. Die Krone Aragons umfasst sogar gleich fünf Königreiche: neben Aragon selbst auch Valencia, Mallorca, Sardinien und Sizilien. Später kommen mit Navarra und Neapel zwei weitere Königreiche hinzu; von den Fürstentümern und Herzogtümern ganz zu schweigen.
Insofern ist die spanische Krone vor allem: der Zusammenschluss aller Titel, Territorien und Herrschaftsansprüche unter einem gemeinsamen Dach und weniger eine Krone aus Gold und Edelsteinen. Mit Karl V., der in Spanien als Carlos I. regiert, wird diese Stellung der spanischen Krone gefestigt. Die Bedeutung des Kaisers, in dessen Reich die Sonne niemals untergeht, ist jedoch nicht nur für die Welt im Allgemeinen, sondern auch für Spanien im Besonderen kaum zu unterschätzen. Spanien wird jetzt nicht mehr in Personalunion von zwei Personen gemeinsam regiert, sondern zum ersten Mal von einem Mann allein. Die Vereinigung ist zwar nicht vollständig abgeschlossen, doch de facto ist dies die eigentliche Geburt des spanischen Königreichs.
Aber vor allem: mit Karl an der Macht ändert sich auch etwas an der Krone. Die Kaiserkrone des mächtigsten Mannes der damaligen Welt wird heraldisches Symbol und damit zum Urvater der heutigen Krone. Mit der Kaiserkrone ist dabei nicht die ottonische römisch-deutsche Reichskrone gemeint, sondern eine Privatkrone, wie sie die habsburgischen Herrscher davor und danach anfertigen ließen. Bereits bei Maximilian lässt sich ein Vorläufer im Strigel-Gemälde erblicken, und auf dem berühmten Dürer-Gemälde bekrönt dieser Kopfschmuck das Wappen.
Philipp II., der Nachfolger Karls in Spanien, behält eine ähnliche Krone im Wappen bei. Im Gegensatz zu den vorherigen, eher schlichten spanischen Kronen, die oben offen waren, handelt es sich bei den deutsch-habsburgischen Modellen um Mitrenkronen. Oben auf der Spitze sitzt ein Reichsapfel – ein Dekor, dass die spanische Krone fortan übernimmt. Das Kreuz auf der Krone versinnbildlicht damit die Herrschaft Christi über den gesamten Globus, welche der christliche König vertritt, verteidigt und verbreitet.
Die Bourbonen, die nach dem Spanischen Erbfolgekrieg ab 1713 die Habsburger in Spanien beerben, geben der Krone ihre heutige Form. Weiterhin fristet sie ein Schattendasein, findet daher nur einen Platz auf Samtkissen in der Nähe des portraitierten Thronfolgers oder Throninhabers. Wirkmächtig ist diese Bourbonenkrone jedoch in der Heraldik, da das spanische Wappen immer noch auf dem Banner der Neuen Welt flattert. Das bourbonische Königswappen mit eben dieser spanischen Krone prangt bis heute – nach den politischen Unruhen des 19. und 20. Jahrhunderts, inklusive zweier Republiken, wieder in leicht veränderter Form – auf der Flagge und offiziellen Einrichtungen.
Ein gewisser Madrider Fußballverein gefiel dem spanischen Monarchen Alfons XIII. so gut, dass er 1920 das Privileg erteilte, dass sich dieser Club „real“ (königlich) nennen durfte. Der Fußballverein ergänzte daher sein Logo um eben jene Krone, welche bereits seit vierhundert Jahren die Geschichte der iberischen Halbinsel geteilt hatte. Nur während der Zweiten Republik und dem blutigen Bürgerkrieg verzichtete Real Madrid auf sein königliches Emblem. Ein Symbol spanischer Herrschaft, geboren im Goldenen Zeitalter Karls V. und Philipps II., als Spanien die Neue Welt eroberte und seinen Erzrivalen Frankreich bezwang; zu seiner endgültigen Form geführt, als das Land ein letztes Mal im 18. Jahrhundert unter den Bourbonen blühte.
Und es sei hinzugefügt: gerade Spanien, das die Welt beherrschte, aber selbst zuvor in jahrhundertelangem Kampf das Land den Muslimen abringen musste, hatte wohl kein Symbol mehr auf der Spitze seiner Krone verdient, als eben jenen Reichsapfel, dessen Kreuz sich überall erhob, wo die Flagge zuvor fremde Ufer gesehen hatte.
Vom legendären spanischen Stolz scheint aber kaum etwas übrig zu sein, wenn die wirtschaftlichen Interessen – oder womöglich jene eines arabischen Sponsors aus den Emiraten – heute dazu führen, dass man sich muslimischerseits (und aus Opferbereitschaft vor dem Mammon) die größte Niederlage seit der Reconquista aufdrücken lässt.