Die Natur der Franzosen

24. Mai 2016
Kategorie: Antike | Europa | Fremde Federn | Historisches | Machiavelli | Regionalismus

In einer kleinen Schrift aus dem Jahr 1502 schreibt Machiavelli „Über die Natur der Franzosen“:

Sie schlagen den gegenwärtigen Nutzen und Schaden so hoch an, dass sie wenig Gedächtnis für die vergangenen Beleidigungen oder Wohltaten und wenig Sorgen um das künftige Wohl oder Wehe haben.
Sie sind eher verschlagen als klug. Sie kümmern sich nicht viel darum, was man von ihnen schreibt oder spricht. Sie sind geiziger mit ihrem Geld als mit ihrem Blut. Sie sind nur freigebig in den Audienzen.
[…]
Wer bei Hof etwas durchsetzen will, hat viel Geld, großen Eifer und gutes Glück nötig.
Um einen Dienst angesprochen, bedenken sie eher, was er ihnen eintragen kann, als ob sie dienen können.
Die ersten Verträge mit ihnen sind immer die besten.
Wenn sie dir nichts Gutes erweisen können, so versprechen sie es dir; können sie es, so tun sie es nach vielen Schwierigkeiten oder gar nicht.
Sie sind sehr demütig im Unglück, im Glück unverschämt.
Wo sie unrecht haben, helfen sie sich durch Gewalt.
Der Sieger hat fast immer gutes Spiel bei dem König, der Unterliegende fast nie; wer sich daher auf eine Unternehmung einzulassen hat, muss eher erwägen, ob sie ihm gelingen wird oder nicht, als ob sie dem König missfallen wird oder nicht. Weil der Herzog von Valentinois (= Cesare Borgia) dies recht gut wusste, rückte er mit seinem Heer ins florentinische Gebiet ein.
In vielen Dingen sind sie im Punkt der Ehre wenig empfindlich und denken anders als die italienischen Herren. Deshalb machten sie sich wenig daraus, dass sie nach Siena sandten, Montepulciano verlangen, und keinen Gehorsam fanden.
Sie sind veränderlich und leichtfertig. Sie haben die Treue des Siegers. Sie sind Feinde der römischen Sprache und des Ruhms der Römer.
Von Italienern hat nur der gut Wetter bei Hofe, der nichts mehr zu verlieren hat und sich seinem Schicksal überlässt.

Das ist nahezu der ganze Text, bis auf eine kleine Aussparung meinerseits, die den historischen Kontext voraussetzt. Insgesamt sei zu sagen: hier geht es weniger um die Franzosen, als vor allem um den französischen Hof, dessen wichtigste Vertreter und den König. Diese Betrachtung entstand nach Machiavellis erster Reise als 2. Botschafter nach Frankreich.

Der Florentiner hatte dort auf die harte Tour gelernt, was es bedeutete, als Gesandter einer kleinen Stadtrepublik mit einer Großmacht verhandeln zu müssen. Seine negativen Erfahrungen flossen nicht nur hier, sondern in sein Gesamtwerk ein. Was Machiavelli den Franzosen aber niemals verzieh, war deren unglaubliche Arroganz, sich selbst über Rom zu stellen. Für Machiavelli ein Todesurteil über sämtliche möglicher Sympathien.

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