Wie Staatsschulden funktionieren

19. Mai 2016
Kategorie: Freiheit | Fremde Federn

In „Kreide für den Wolf“ schreibt der Hayekianer Roland Baader über das internationale Staatsschuldensystem, das keinerlei Schranken (Insolvenzrecht) kennt:

Solange die überschuldeten Staaten der Welt ihren Bankrott – angeblich – nicht „ordentlich” erklären können, weil es noch kein „internationales Insolvenzrecht” (= Welt-Konkursordnung) gibt, muß es zwischen Schuldnern und Gläubigern halt zum Vergleich (ist gleich Teilbankrott) kommen.

Mein Rat also: Haben Sie Schulden bei Ihrer Bank, und drücken Sie diese unerträglich? Dann gehen Sie zum Direktor und erklären ihm: Ich will nach einem internationalen Insolvenzrecht behandelt werden. Solange es das noch nicht gibt, bestehe ich auf einem Vergleich: Erlassen Sie mir meine Schulden zur Hälfte, reduzieren Sie die Zinsen auf den Restbetrag ebenfalls um fünfzig Prozent, und schlagen Sie diese Zinsen jährlich meiner Restschuld zu, und zwar mindestens zwanzig Jahre lang. Bis dahin gibt es bestimmt ein internationales Konkursrecht, und nach dessen Paragraphen können wir dann alles ordentlich abwickeln.

Was wird er tun, der Direktor Bilanzfuchs? Er wird seinen Adlatus rufen und ihn mit schriller Stimme anschreien: „Die Kreditlinien dieses übergeschnappten Kunden sind ab sofort gekündigt. Wenn nach 48 Stunden die Gesamtschuld nicht bezahlt ist, und zwar restlos, dann ordnen Sie die Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen an.” (Mein Tip für Sie, wenn man Ihnen die Matratze unter dem Hintern gepfändet hat, und wenn Sie mit Frau und Kindern vor Omas Wohnung stehen und der weinenden alten Frau versichern, Sie wären mit einem Nachtlager in der Waschküche zufrieden: Bei der Heilsarmee gibt es fast immer eine warme Suppe.) Sie haben dann eben etwas falsch gemacht: Sie hätten nicht 100 000 DM Schulden machen dürfen, sondern hätten richtig zulangen müssen. So um 800 Millionen, oder gleich ein paar Milliarden. Dann würde good old Willy auch für Sie kämpfen.
Aber so dilettantisch wie Sie‘s angepackt haben! Nee. Wie gesagt: Heilsarmee.

Ganz anders würde die Sache ausgehen, wenn sich Ihre Bank den IWF zum Vorbild nähme. (Also die Sache mit den Quoten, den Ziehungsrechten, den Sonderziehungsrechten und Fazilitäten –„und so”.) Das würde dann wie folgt ablaufen:

Die freundliche Dame am Schalter fragt Sie: „Möchten Sie eine Fazilität?”
Sie: „Ist das ein unzüchtiger Antrag?”
Die Dame: „Wo denken Sie hin! Das ist unsere neue Kreditmethode für unsere Haus- und Stammkunden.”
Sie: „Aha. Und wie geht das vor sich?”
Die Dame: „Sie zahlen eine Quote von zwanzig Prozent ein. Dann haben Sie hundert Prozent Kredit.”
Sie: „Verstehe ich das richtig: Wenn ich 200 DM als Quote bei Ihnen einzahle, dann habe ich sofort einen Kreditspielraum von 1000 Mark?”
Antwort: „Richtig! Sie haben die Sache gut verstanden.”
Sie: „Ja, ich bin ein pfiffiges Kerlchen. Geht das Ganze auch hintereinander? Also: Ich zahle 200 ein, und Sie geben mir 1000. Dann zahle ich diese 1000, ein und Sie geben mir 5000. Die zahle ich wieder ein und erhalte 25 000. Und so fort. Bis ich 100 Millionen habe?”
Antwort: „So geht das auch. Aber unsere Grenze bei der derzeitigen Fazilität liegt bei 50 Millionen, nicht bei hundert.”
Sie: „Fürs erste geht das. Aber lange wird mir das nicht reichen. Sie sollten Ihre Fassi…, Ihre Fazzi…, also Ihre neue Dingsda schleunigst auf 100 Millionen erhöhen.”
Die freundliche Dame: „Ich werde das dem Direktor weitersagen. Es haben nämlich schon mehrere Kunden reklamiert. Vielleicht legen wir zur Fazilität noch eine Sonderfazilität auf.”

Sehen Sie: So geht das mit den Quoten, und den ZR und den SZR und all den schönen Sachen bei den Finanzmagiern des neuen Sozialismus. Nur daß die Kunden eben nicht Hinz und Kunz heißen, sondern die Namen von Staaten und Regierungen tragen.

Und die Schuldner? Also wer zahlt das alles? Und wer zahlt die Beträge zurück? Na, wenn Sie‘s jetzt noch nicht wissen, dann haben Sie unsere schöne neue sozialsozialistische Welt immer noch nicht verstanden. Merke: Die Notenbanken und internationalen Institutionen, die den Sozialsozialismus der Sozialstaaten finanzieren und den Kapitalismus deformieren und pervertieren, sind Spielbanken. In ihnen wird unsere Zukunft verspielt. Und nebenbei noch die Arbeit unserer Vergangenheit. Bis zum „Nichts geht mehr”.

Und merke ganz besonders: Babylon wird stürzen. Wie alle Babylons.

In wenigen, amüsanten Worten bringt Baader hier die gesamte Problematik des Staatsschuldensystems auf den Punkt. Hier steht das, was Sie immer über unser Finanzsystem wissen wollten, aber nie zu fragen wagten. In der Tat: das ist Sozialismus pur und bar jedwedenr Marktwirtschaft. Denn letztendlich wollen die Staaten noch mehr Bewegungsfreiheiten, heißt: Schuldenmöglichkeiten.

Man beachte! „Kreide für den Wolf“ stammt von 1991. Ich kann es nicht oft genug wiederholen. Griechenland lässt grüßen.

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