Missa solemnis

28. März 2016
Kategorie: Beethoven | Historisches | Ich bin Guelfe, ich kann nicht anders | Musik

Bei der gestrigen Ostermesse im Bonner Münster hatte man zumindest so viel Lokalpatriotismus neben Händels Halleluja auch Beethovens Messe in C-Dur anzustimmen. Unweigerlich kam mir dabei der Gedanke an Beethoven größte und berühmteste Sakralmusik: die Missa solemnis.

Ein Beethovenstück, das ich wohl wie kein anderes vernachlässigt habe.

Seit Jahren nicht mehr angehört, überraschte mich im Nachhinein, wie viel Unrecht ich diesem Werk angetan habe. Vor einem Jahrzehnt konnte ich damit nur sehr wenig anfangen, womöglich, weil ich mich insgesamt mit Gesangswerken schwerer tue als mit reiner Instrumentalmusik. Es brauchte wohl diesen Abstand, um im Nachhinein das umso Vertrautere darin zu hören: eben diesen typischen beethovenesquen Ton, der in der Symbiose mit dem Chor den Schatten der 9. Sinfonie vorauswirft, die mit ihrem „Seid umschlungen Millionen“ und „Überm Sternenzelt muss ein guter Vater wohnen“, das geheime, dritte sakrale Großwerk bildet, hier in der Form eines versteckten Requiems. Schon die Opus-Nummer 123 der Missa solemnis (die 9. Sinfonie trägt die Nummer 125) verweist auf die zeitliche Nähe.

Womöglich bin ich nicht der einzige, der bei seinem ersten Treffen mit der Missa solemnis so reagierte. Denn allgemein gilt sie als eines der Meisterwerke des Bonners, eben nicht nur aus seiner späten Schaffensphase; allein, sie vermochte niemals die Popularität der Sinfonien, Klavierkonzerte oder Sonaten zu erreichen. Im Nachhinein betrachtet vielleicht deswegen, weil man von Beethoven anderes gewohnt ist, und sich plötzlich an der Andersartigkeit stößt. Erst, wenn man sich jahrelang mit einem breiteren Repertoire beschäftigt hat, fällt auf, wie alles darin nach Beethoven schreit und riecht; mit einigen Anklängen an „Papa Haydn“, dessen eigene Messen auf den Schüler ihre Wirkung nicht verfehlt haben.

Berühmt ist die Missa solemnis dagegen heute vor allem aufgrund einer Bewandtnis: sie ist oben als die Partitur abgebildet, an der Beethoven auf dem berühmten Stieler-Portrait gerade arbeitet. Ansonsten erfreute es sich keinerlei größerer Würdigung mehr. Noch der Pianist Vladimir Horowitz meinte, dass die Missa solemnis ein Beispiel dafür sei, weswegen ihn Beethoven oftmals so langweile.

Womöglich ein Grund, mein Verhältnis zu Horowitz neuerlich zu überdenken…

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