Im Bekanntenkreis gelte ich als jemand, der nicht nur gerne kocht, sondern auch Wert darauf legt, was er kocht. Dabei halte ich nichts von der ganzen Veganer- und Vegetarierhippsterei, die überall um sich schlägt. Weder stecke ich mir gelatinelose Süßigkeiten zwischen meine Zehen, um mich besser zu fühlen, noch prahle ich mit meiner neuen Salat- und Gartenerdediät. Außer dem obligatorischen Spaziergang treibe ich keinen Sport. Dennoch gelte ich als recht schlank. Was ich auch esse, ich achte darauf, was es ist und gelte nicht zuletzt deswegen als „verwöhnt“ oder gar „pingelig“.
Nun hat vielleicht der eine oder andere bereits von der Lebensmittelampel gehört. In den Medien scheint sie überall als Erlöserheilmittel hochgehalten zu werden. Insbesondere die Partei der GrünInnen verteidigt sie mit Krallen und Zähnen, und unterstellt jedem, der gegen sie ist, unlautere Absichten. Auch im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk unterstreicht man die vielfältigen Vorzüge.
Die Ampel funktioniert recht simpel: in rot, grün und gelb zeigt sie an, wie hoch der Anteil von Fetten, Salzen und Zucker ist. Damit markiert sie also auf den ersten Blick ungesunde Produkte.
Und es ist natürlich unumgänglich, dass ich als jemand, der so viel Wert auf Essen legt, mal darauf angesprochen werde.
»Die Konzerne verhindern die Lebensmittelampel, weil sie deren Geschäft kaputt machen würde!«
»In dem Fall unterstütze ich die bösartigen, kapitalistischen Großkonzerne.«
Baffes Schweigen.
»Was? Gerade du, der immer übers Essen meckert, bist dagegen? Das hätte ich nicht erwartet!«
»Um es klar zu machen: Ich unterstütze nicht die Industrie, sondern den gesunden Menschenverstand.«
»Wie meinst du das?«
»Wenn jeder nur noch auf die blöde Ampel schaut, denken die Leute noch weniger darüber nach, was sie einkaufen. Sie geben ihren Verstand ab und verlassen sich blindlings darauf, was ihnen ein „System“ sagt, statt sich mit der Materie zu beschäftigen.«
Nachdenklichkeit auf der anderen Seite. Dann:
»Die Leute haben eben nicht so viel Zeit. Gerade für die, die nicht so gebildet sind, ist es doch ein guter Anhaltspunkt.«
»Im Gegenteil – gerade die sehe ich betroffen.«
»Kann es sein, dass du einfach deswegen dagegen bist, weil es aus der „falschen Ecke“ kommt?«*
»Gegenfrage: weißt du, wie Olivenöl auf der Ampel markiert ist?«
»Gelb?«
»Rot. Weißt du, wie Parmaschinken markiert ist?«
»Vermutlich rot.«
»Dasselbe gilt für jeden italienischen Käse, einschließlich geraspelten Parmesans, den man sich auf die Pasta streut. Pasta kommt auch schlecht weg. Nach dem „Ampelsystem“ ist die italienische Küche die ungesündeste der Welt – obwohl der Anteil der Fettleibigen in Italien unter dem EU-Durchschnitt liegt!«
Letzteres ist nämlich auch eine Statistik, die man sogar auf dem von mir eher ungeliebten SPON grafisch nachsehen kann.
Übergewichtige Männer (D/I): 62% contra 58%.
Fettleibige Männer (D/I): 17% contra 12%.
Übergewichtige Frauen (D/I): 44% contra 39%.
Fettleibige Frauen (D/I): 15% contra 10%.
Jetzt muss man der WHO folgend hinzufügen, dass der Trend in Italien dazu hingeht, dass die Menschen wohl irgendwann übergewichtiger sein werden als in Deutschland. Ich bezweifle das ganz offen! Außer natürlich, man redet den Italienern ein, Olivenöl sei ungesund, und zum Braten solle man besser Butter verwenden.
Womit wir bei noch einem Thema wären: einst wurde Fett als der größte Dickmacher verfemt. Was geschah? Produkte wurden entfettet – und im Gegenzug mit Zucker angereichert. Nunmehr sind alle gegen Zucker, und ich erwarte das nächste chemische Verfahren, das einen anderen ungesunden Geschmackverstärker anreichert, der erst nach 20 Jahren erneut für Unmut sorgt. Dann läuft eine neue Kampagne – und die Industrie lässt sich was Neues einfallen.
Aber nirgendwo ist der Glauben in Systeme so ausgeprägt wie im ordnungsliebenden Deutschland. Dass man eine Flasche Olivenöl nicht auf Ex kippt, und auch den Parmesan nicht in einem Stück runterwürgt, ist allgemein bekannt. Der „Ampel“ entgehen solche Details. Dass also auch dieses System manipulationsfähig ist, und zuletzt wohl auch noch zu einer verstärkten Skandalisierung italienischer Produkte führen wird, einhergehend mit fallenden Verkäufen – ja, auch daran könnten gewisse Kreise bei den Guten, Wahren und Schönen ganz machiavellistisch interessiert sein, wenn die Mozzarella eben nicht mehr traditionell, sondern ebenso technisch hergestellt wird wie Tofu.
Ganz fett-, zucker- und mozarellafrei, dafür aber bio.
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*Zugegeben – man sieht, die Person kennt mich ganz gut.