Hanau – Nichts Neues unter der Sonne

28. März 2020
Kategorie: Die Tagespost | FAZ-Kritik | Freiheit | Ich bin Guelfe, ich kann nicht anders | Ironie | Linkverweis | Medien | Non enim sciunt quid faciunt | Persönliches

Nicht nur bei Corona, sondern auch bei Hanau hat es – mal wieder – ein massives Medienversagen gegeben. Man mag das alles gar nicht mehr kommentieren wollen: denn eine Verbesserung darf man nach so vielen Skandalen, Fehleinschätzungen und Gesinnungstexten gar nicht mehr erwarten. Ein weiteres Wort zu jenen Autoren, die Haltung vor Verstand, eingebildete Moral vor redliche Arbeit, politische Ideologie vor Handwerk stellen? Nein, es verwundert alles nicht. Und nein, es wird sich auch weiterhin nichts ändern. Die Verantwortlichen sind nicht mit Blindheit geschlagen, sie wollen blind sein. Alles andere könnte Weltbilder zerstören.

Statt nach dem – noch ausstehenden – BKA-Bericht ein paar Worte des Eingeständnisses? Möglicherweise eine Entschuldigung von denjenigen Kommentatoren (es fallen spontan Kaube und Kohler von der FAZ ein), die nicht nur ihre abstruse Meinung in die Öffentlichkeit schleuderten, sondern auch noch jeden angriffen, der eine andere als jene hatten? Es wird nichts kommen.

Es sind Dinge, die mittlerweile über das reine Prinzip der Medienkritik hinausgehen. Als ich über Corona in Italien berichtete, war es für einige Panikmache. Was dort passierte, konnte hier nicht geschehen. Die „Faktenlage“ änderte sich, und wer damals schon diese Meinung hatte, wechselte vom Lager der rechten Verschwörungstheoretiker in das Lager jener, die von sich behaupteten, damals mehr gewusst zu haben. Es sind die Worte, die eine ganz klare Botschaft haben: Wahrheit und Fakten gibt es nicht. Sie werden gemacht und von bestimmten Institutionen festgelegt. Nicht so sehr im Sinne eines Orwell’schen Wahrheitsministeriums, als vielmehr im Sinne einer bräsigen, selbstverliebten Elite, die glaubt, aufgrund bestimmter Berufe, Abschlüsse oder eigener ethischer Maßstäbe eine Sache besser bewerten zu können als ein Kfz-Mechaniker. Es ist kein intellektuelles Denken, sondern ein ständisches.

Im Falle von Hanau war, ist und wird es nicht anders sein. Wenn man in der Tagespost frühzeitig genau das kommen sah, was kommen würde, wird auch das im Nachhinein nur als „Glücksfall“ gewertet. Wenn es bestimmte Leute nicht kommen sahen, dann kann es die „ganze Welt“ (Dunja Hayali dixit) nicht kommen sehen. Bei Hanau kommt der unangenehme Beigeschmack jener Kommentare ins Spiel, die so über das Ziel hinausschossen, dass man ihren Verfassern zurufen wollte: Tut das nicht! Es ist nicht mit anzusehen! Aber auch solche Zurufe wurden nicht als Bitte, sondern als rechte Destabilisierung bewertet.

Dann hier in ganz eigener Sache: mit Sicherheit werden diejenigen, die meinen Kommentar zu den Geschehnissen um Hanau in einer ganz eigenen Weise auslegten, auch jetzt wieder viele Worte finden, um ihre im Grunde menschenverachtende und hasserfüllte Moral zu verteidigen, die sie aufgrund von Selbstprojektionen in anderen Texten wiederfinden. „Ethische Verwahrlosung“, „Nie wieder!“-Rufe, und andere antrainierte Reflexe wurden da abgelassen, unter triumphheulendem Teilen eines Machwerks aus einem viertklassigen Onlinemagazin, das vor allem von heißer Luft und moralinsaurer Haltung lebt. Man sah sich genötigt, mich auf Twitter zu „taggen“, um gewissermaßen meine rechtsextreme Gesinnung entlarven zu wollen. Das Stück selbst, das im Gewand einer Quintaneranalyse etwa das Zehn- bis Zwanzigfache an Zeichen des Ursprungstextes brauchte, wurde vom Generalvikar von Essen, vielen Theologen und dem Redakteur von „Christ und Welt“ (mit der Ansage: „So ist es!“) geteilt. Unisono war in diesen Kreisen klar: der Autor ein moralisches Wrack, jemand, der die Bibel nicht kennt, die Tagespost ein Schmierenblatt, das es zu boykottieren gilt. Besagter Generalvikar teilte die Diffamierung wider Gallina und Tagespost und schrieb dazu Folgendes:

Interessierte Leser können gerne das Zeitzeugnis für den selbstprojektierenden Geist von Liberalkatholiken im Internet suchen, das den sinnigen Titel „Der irre Post des Tages“ hat; ich sehe nicht ein, meine Leserschaft mit solch undelikaten Geistesbedrängungen durch eine Verlinkung belästigen zu müssen. Es handelte sich um eine bewusste, konzertierte Aktion gegen „meine“ Tagespost, insbesondere, nachdem Benedikts Unterstützung für das Blatt mediale Wellen geschlagen hatte, und man sich zugleich erdreistete, gegen katholische Reformprojekte zu opponieren. Da waren die Bratenriecher auch bereit, ein Schmierenstück wie das obige weitläufig zu teilen, nur, um dem konservativen Printflaggschiff katholischer Gegenöffentlichkeit zu schaden. Es sollte eigentlich erstaunen, dass sich liberalkatholische Zirkel auf das Niveau eines unerheblichen Onlinemagazins herablassen, so es denn nur Munition hergibt. Offensichtlich ist seriöser Journalismus katholischer Feder mittlerweile verpönt – was wohl die Aversion gegen die Tagespost erklärt.

Nichtsdestotrotz: natürlich wird der „irre Post“ beim Nachtgefieder nicht verschwinden, es werden auch keine Korrektur oder Entschuldigung erfolgen – weder vonseiten der Herausgeber, des Autors oder der anderen Beteiligten, die sich auf diese Seite stellten, obwohl mittlerweile klar ist, dass der Tagespostartikel als einer der wenigen im deutschsprachigen Raum genau die Position vertritt, die auch das BKA für die glaubwürdigste hält. Die moralische Größe kollabiert nicht, und Zeitung wie Autor bleiben dennoch geächtet, weil das Narrativ sitzt. Der Zweck heiligt in diesen Kreisen eben doch die Mittel, wobei man tunlichst genau das dem Gegner vorwirft, um vom Schmutz auf der eigenen Weste abzulenken.

Am Ende hat sich – wenn alle Mittel fehlen – einfach wieder die Faktenlage geändert. Es hat ja niemand kommen sehen.

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