Hoffnungsträger Macron?

20. März 2017
Kategorie: Alltägliche Gedankenstreifzüge | Europa | Freiheit | Machiavelli | Medien | Regionalismus | Tichys Einblick

Ich konnte ehrlich gesagt nicht glauben, was der sonst von mir recht geschätzte Schäffler jüngst auf Tichys Einblick publizierte. Macron, ein Anti-Schulz? Schäffler wiegt Macron auf einer Waage mit Le Pen ab. Weil letztere sozialistische Programmpunkte hat und gegen Freihandel und für Protektionismus ist, gibt er Macron den Vorzug. Das hieße aber ein Trojanisches Pferd zu loben.

Zuerst einmal ist Macron eben kein Anti-Schulz. Auch er wird den Medien messiasgleich als Heilsbringer von „außen“ dargestellt. Das ist er aber ebenso wenig wie Fillon, der entgegen anderslautender Berichte zu den Etablierten gehört. Alle drei haben den „Trump-Mythos“ gemeinsam, der aufgebaut werden soll – einer von „uns“, der kommt, um das Land zu retten. Was das Triumvirat stattdessen tatsächlich eint, ist in Wirklichkeit ein Korruptionsskandal; neben der bekannten Fillon-Affäre hat Schulz Günstlingswirtschaft betrieben, und Macron Steuern hinterzogen.

Das war im Sommer 2016. Macron galt bis dahin als beliebtester Politiker der Sozialisten. Aber allein, dass Macron als Wirtschaftsminister nicht nur der Partei Hollandes, sondern auch dessen Kabinett angehörte, sollte zu denken geben. Unpopulär machte sich Macron mit seiner Ansage gegenüber Arbeitern und Gewerkschaften, als er auf seine feinen Kleider hinwies – die Gewerkschaftler sollten erst einmal hart arbeiten, um sich so einen Anzug wie er selbst leisten zu können. Völlig unmöglich machte er sich dann, als er den Wert der Villa seiner Frau zu niedrig bezifferte. Der Sozialist musste Steuern nachzahlen. Für Nestlé hatte der Investmentbanker seinerzeit einen Milliardendeal eingefädelt und gilt seitdem jener Schicht zugehörig, die eine „Reichensteuer“ bezahlen muss.

Investmentbanker. Sozialist. Steuerbetrüger. So sieht also der Hoffnungsträger aus.

Macron kam der eigenen Entlassung mit seinem Austritt aus dem Kabinett zuvor. Zu dem Zeitpunkt forderte bereits eine Mehrheit der Franzosen seinen Rücktritt. Im August noch hätte wohl Frankreich keinen Pfifferling auf den 39jährigen gewettet, besonders nicht auf seine Wahl zum Präsidenten. Zwei Monate später kündigte er seine Kandidatur an. Schnell hatte er nahezu 3 Millionen Euro Wahlkampfhilfen zusammen – für einen unabhängigen Kandidaten erstaunlich.

Es verwundert daher, dass gerade Schäffler als „Libertärer“ auf die Luftnummer Macron reinfällt. Macron gilt mit seiner Vita mit Sicherheit als ein Vertreter jener „Spielbanken“, die dem Namen nach Kapitalist, aber im Herzen Sozialist sind. Dazu überzeugter „Europäer“, heißt: EU-Gefährte. Die Blase, die Baader ebenfalls vorhergesehen hat, wird mit einem Macron ebenfalls nur anwachsen; und der Euro wird weiterhin zum Mantra erhoben, bar jedweder Stabilitätskriterien. Das wird der Lohn für eine europafreundliche Politik sein. Macron will neue, gemeinsame Institutionen in der Eurozone, eine liberalere Flüchtlingspolitik und ein bedingungsloses Grundeinkommen von 750 Euro. Die Transferunion klopft an. Sind das wirklich Ziele, die ein Libertärer – der sich noch gegen Griechenlandhilfen aussprach – verfolgen kann?

Ja, Macron hat eine Liberalisierung des Arbeitsmarktes versprochen, er möchte die EU demokratisieren und die Renten- und Arbeitslosenversicherung reformieren. Doch dürften dies nur Angleichungen an europäische Standards sein. Das hebt aber nicht die anderen Pläne auf, insbesondere, wenn man einerseits von Demokratisierung der EU spricht, andererseits bei Kernthemen ganz auf Brüsseler Linie ist. Und auch innenpolitisch dürfte das Grundeinkommen eigentlich die Alarmglocken bei allen Libertären schellen lassen.

Die Ironie: Le Pen könnte zwar national eine sozialistischere Politik fahren – aber das beträfe nur das eigene Land. Indirekt wäre sie für die Subsidiarität Europas und eine Reform des Euro (in welcher Hinsicht auch immer) weitaus nützlicher, wollte man wirklich mehr Freiheit auf dem Kontinent. Aber das auszusprechen wagt keiner.

Addendum: Macron hat seine Magisterarbeit über Machiavelli geschrieben. Äußerste Vorsicht ist geboten.

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